Es ist eindrucksvoll. Die Farbsubstanz strömt und windet sich. Die Pinselschwünge changieren in ihrer Sättigung, schieben sich zusammen und türmen sich nach außen auf, und dass das funktioniert, liegt an ihrer zurückhaltenden Farbigkeit und den großen Formaten dieser Gemälde und an dem gestischen Kontinuum. Und genau deshalb heben sich im Vordergrund die Masken und schablonenartigen Gesichter so klar ab. Sie halten den Betrachter-Raum auf Distanz und repräsentieren doch erst recht das blühende Leben und die Emotionen in all ihren Variationen und Schattierungen. Christoph M. Gais hat mit diesem Konzept, bei dem er Raum und Fläche, organisch und konstruktiv, abstrakt und gegenständlich miteinander konfrontiert, einen schier unerschöpflichen Reichtum an atmosphärischen und formalen Nuancen geschaffen. Was anfänglich, zumal in der Menge der Bilder, zu langweilen scheint, ist mit jedem Werk ein neues Ereignis.
Grundlage der Bilder von Christoph M. Gais ist die abstrakt expressive Malerei. Im Anschluss an ein Studium der Kunstgeschichte und Empirischen Kulturwissenschaft in Tübingen hat er 1978-81 an der Kunstakademie Stuttgart bei K.R.H. Sonderborg und danach bis 1983 an der HdK in Berlin bei Raimund Girke studiert: beide gegenstandsfreie Zeichner bzw. Maler, die mit der Geste assoziativ Situationen und Stimmungen aufrufen. Andererseits feierte damals die figurative Malerei der Jungen Wilden Triumphe. Gais reagierte auf all das – schon damals – mit der Verbindung einer bewegten Farbfläche mit stabilen Formen, welche schier dreidimensional aus dem Ozean der Farbe aufwuchsen, Anklänge an urbane Landschaften erlaubten und Fragen der Perspektive und des Standpunktes aufwarfen: Damit feierte er bald Erfolge und es hätte ewig so weitergehen können, wenn er nicht für sich, irritiert davon und überwältigt von dem Getöse in Berlin nach dem Mauerfall, die Reißleine gezogen hätte. Gais übersiedelte in das Traumland jeden Malers, nach Italien. Seit 1994 lebt er bei Orvieto und hat sich dort auf dem Land ein Gehöft zum Atelier umgebaut.
Die Ausstellung in der Küppersmühle rekapituliert die Jahrzehnte in Italien, in denen sich Gais mit Freskomalerei und Ornament auseinandergesetzt und weitgehend vom Kunstbetrieb zurückgezogen hat, sodass dies jetzt seine erste Museumsausstellung seit den 1990er Jahren ist. Glücklicherweise entsprechen die Wände in ihrer Höhe den Atelierverhältnissen, so dass er seine Tableaux hängen konnte. Die Küppersmühle hat sein Studierzimmer rekonstruiert ebenso wie es seine dortigen Holzskulpturen zeitgenössischer afrikanischer Künstler einbindet. Und weil die hier beheimatete Sammlung Ströher damals Bilder von Gais erworben hat, gibt es in einem Saal im Sammlungstrakt auch diese frühen Bilder zu sehen, und zwar im Dialog mit den elementaren Holzskulpturen von Rudolf Wachter: Dort setzt sich das Spiel von Figur und Grund in den Raum fort und mehr denn je wird dann deutlich, dass es um die Positionierung im Überschwang der Welt geht, um das Finden einer Perspektive und das gelassene Aushalten all der Schönheit und der lärmenden Synästhesie: damals wie heute.
Christoph M. Gais – Bilderwelten von 1990 bis heute | bis So 26.11. | Museum Küppersmühle, Duisburg | 0203 30 19 48 11
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