„Wir können das Netz, in dem wir stehen, nicht zuziehen“, schrieb einst Walter Benjamin (1892-1940) über den aus seiner Sicht noch unüberblickbaren Charakter des Kapitalismus als neue Religion. In seinem Buch „Künstliche Intelligenz und echtes Leben“ greift Philosoph Christian Uhle diese Überlegung auf – und überträgt sie auf einen anderen Bereich. In der VHS Essen spricht er über Künstliche Intelligenz und ihren möglichen Einfluss auf die Gesellschaft.
Besonders der Einfluss neuer Technologien auf die Sinne beschäftigt den Philosophen. Ein Beispiel bildet für ihn das Smartphone: „Wie ändert sich unsere Wahrnehmung eines Ereignisses, wenn wir nicht nur durch unsere eigenen Augen schauen, sondern gleichzeitig eine zweite Perspektive einnehmen durch Linsen, Filter und Bildschirme?“, fragt er. Die Gegenwart wird in Erwartung des Social Media Posts zur zukünftigen Vergangenheit – und wie man sich an diese Vergangenheit erinnern will und welche Reaktionen hervorgerufen werden sollen, können Nutzer:innen steuern und durch hilfreiche Filter beeinflussen.
Auch Künstliche Intelligenz verspricht – oder droht – wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Prozesse nachhaltig zu beeinflussen. Autonome Waffensysteme und „Deepfakes“ (realistische Fälschungen von Medien) werfen ethische Fragen auf, KI-generierte Bilder und ChatGPT stellen das Kunstverständnis infrage. Uhle konstatiert: Eine neue Phase der Digitalisierung hat begonnen. „Nicht das Smartphone ist der zentrale Wachstumstreiber, sondern Künstliche Intelligenz.“ Die Vernetzung erfolgt dabei nicht mehr nur zwischen Menschen, auch Geräte können beispielsweise im Haushalt miteinander in Kontakt stehen („Smart Home“) – ein Phänomen, das Uhle als „Internet der Dinge“ beschreibt.
Uhle geht es in seinem Buch jedoch nicht nur um Aufklärung, er befasst sich mit der neuen Phase der Digitalisierung auch als Entwicklung, die nur als demokratischer Prozess funktionieren kann. Statt KI als externen Faktor zu begreifen, der das menschliche Miteinander untergräbt, sieht der Philosoph sie als Produkt des Menschen und als Ausdruck seiner Werte und Vorstellungen. Auch den Verheißungen des technologischen Fortschritts geht Uhle nach. Dabei unterscheidet er zwischen fünf Versprechen: „Mehr Zeit für dich!“, „Du bist nicht allein!“, „Ein neuer Freund und Helfer!“, „Die Welt ist dir zu Diensten!“ und „Sinn statt Hamsterrad!“. Was genau diese Versprechen bedeuten und inwiefern die Digitalisierung 2.0 ihnen gerecht werden kann, diskutiert Uhle am 10. November im Gespräch mit dem Moderator Nikolaos Georgakis.
Reden von morgen: Christian Uhle – Künstliche Intelligenz und echtes Leben | So 10.11. 11 Uhr | VHS Essen | www.vhs-essen.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Wasserängste
Vortrag in der VHS Essen – Spezial 04/23
„Wir hätten schwer in das Agentur-System reingepasst“
Interview mit zwei GrafikerInnen zur VHS-Ausstellung „Ist doch Logo!“ – Kunst 03/19
Minimal bis crossmedial
Rekorde und Trends auf der Spiel Essen – Spezial 10/24
KI, eine monströse Muse
12. Kulturkonferenz Ruhr in Essen – Spezial 09/24
Wurzeln des Rechtsextremismus
Online-Vortrag „Ist die extreme Rechte noch zu stoppen?“ – Spezial 09/24
Wem gehört die Ökosphäre?
Seminar „Die Rechte der Natur“ in der VHS Dortmund – Spezial 05/24
Stimmen der Betroffenen
Vortrag über Israel und Nahost in Bochum – Spezial 04/24
Außerhalb der Volksgemeinschaft
Vortrag über die Verfolgung homosexueller Männer in der NS-Zeit in Dortmund – Spezial 04/24
„Ruhrgebietsstory, die nicht von Zechen handelt“
Lisa Roy über ihren Debütroman und das soziale Gefälle in der Region – Über Tage 04/24
Unterschiedliche Erzählungen
Vortrag zur Geschichte des Nahostkonflikts in Bochum – Spezial 03/24
„Was im Ruhrgebiet passiert, steht im globalen Zusammenhang“
Die Dokumentarfilmer Ulrike Franke und Michael Loeken über den Strukturwandel – Über Tage 03/24
Geschichte der Ausbeutung
„Wie Europa Afrika unterentwickelte“ im Bochumer Bahnhof Langendreer – Spezial 02/24
„Einer muss ja in Oberhausen das Licht ausmachen“
Fußballfunktionär Hajo Sommers über Missstände im Ruhrgebiet – Über Tage 02/24
„Mir sind die Schattenseiten deutlicher aufgefallen“
Nora Bossongüber ihre Tätigkeit als Metropolenschreiberin Ruhr – Über Tage 01/24
„Hip-Hop hat im Ruhrgebiet eine höhere Erreichbarkeit als Theater“
Zekai Fenerci von Pottporus über Urbane Kultur in der Region – Über Tage 12/23
Suche nach Klimastrategien
Gespräch im Essener LeseRaum Akazienallee – Spezial 11/23
„Das Ruhrgebiet erscheint mir wie ein Brennglas der deutschen Verhältnisse“
Regisseur Benjamin Reding über das Ruhrgebiet als Drehort – Über Tage 11/23
„Kaum jemand kann vom Schreiben leben“
Iuditha Balint vom Fritz-Hüser-Institut über die Literatur der Arbeitswelt – Über Tage 10/23
Irrweg deutscher Migrationspolitik
„Blackbox Abschiebung“ in Düsseldorf – Spezial 09/23
„Es hat mich umgehauen, so etwas Exotisches im Ruhrgebiet zu sehen“
Fotograf Henning Christoph über Erfahrungen, die seine Arbeit geprägt haben – Über Tage 09/23
Diskursive Fronten überwinden
„Produktives Streiten“ in Mülheim – Spezial 08/23
Erinnern heißt Widerstand
Sommerfest des Fritz Bauer Forums in Bochum – spezial 08/23
„Man könnte es Stadtpsychologie nennen“
Alexander Estis ist für sechs Monate Stadtschreiber von Dortmund – Über Tage 08/23
Metaphern, Mechaniken, Meisterschaften
Offener Tag im Flipperverein Freeplay.ruhr in Herten – Spezial 07/23
Spaß an der Transformation
Gutes Klima Festival in Essen – Festival 07/23