Die Welt des Poetry Slam ist eine eigene Subkultur mit eingeschworenen und vernetzten Mitgliedern – wer einmal dabei ist, bleibt für immer. Für Außenstehende ist es, wie bei fast jeder Subkultur, hingegen manchmal nicht ganz leicht, den Dschungel bestehender Rituale und Jargons zu durchschreiten. Wie gut, dass es immer wieder Schaufenster auch jenseits regelmäßiger Szene-Termine gibt, die dem interessierten Betrachter eine Einblicke in die Welt der Sprach-Jongleure ermöglichen. Schaufenster wie die trailer-Wortschatzbühne auf Bochum Total, die zum Festival-Auftakt am Donnerstag (19.7.) von Felicitas Friedrich eingeweiht wurde. Die junge Frau trug in gekonnter Manier und mit feinem Humor vier Anekdoten ihres Bühnenprogramms mit dem Titel „Wir müssen reden“ vor. Ihre außergewöhnlichen Themen sind nicht nur witzig, sondern regen vor allem auch zum Nachdenken an. Dabei erinnern ihr Rhythmus, Wortwitz und Sprachduktus etwas an die unwesentlich bekanntere Julia Engelmann, nur dass Felicitas Friedrich weder prätentiös noch nervig rüberkommt.
So bewegt sie sich vor allem in kontroversem Terrain und kombiniert geschickt Tabu-Themen mit (nicht nur weiblichen) Alltagsproblemen und schafft es gleichzeitig auch ein selbstreflexives, satirisches und subtiles feministisches Statement zu untermauern ohne sich dabei selbst zu ernst zu nehmen.
Da geht es zum Beispiel in dem ersten Text um die philosophische Suche nach dem Sinn des übermäßigen Alkoholkonsums auf Studentenparties (in Felicitas´ Worten: „es geht ums Saufen!“), lächerliche One-Night-Stands und die Nichtigkeit des „Abschleppens“: eine Illusion, der wir uns, geblendet vom Suff und betäubt von lauter Musik, auf Partys hingeben. Felicitas Friedrich mag Stereotype und erkennt in sich, in uns eine Gesellschaft, die eben auf diesen Stereotypen aufbaut und klischeehafte Frauen- und Männerbilder prägt. Deswegen erzählt sie in ihrer zweiten Geschichte auch von erzwungener Sexyness, Oberflächlichkeit, dem weiblichen Schönheitsideal und den kleinen „Sünden“, die man ja mal begehen darf (sich zum Beispiel mal nicht unter den Armen rasieren! Das sind ja nur…großer Schock…Haare!). Und während die ersten Geschichten noch das wilde Leben proklamieren, zieht sie in der dritten Geschichte die Konsequenzen, wenn es dann um das Warten geht: das Warten auf die Menstruation; in der Hoffnung sich nicht irgendwann als Teenie- Mutter mit vier Kindern auf Sat1 im Nachmittagsprogramm wiederzufinden. Die vierte und letzte Geschichte beendet das Programm mit einer Reflexion über die Loslösung vom Individualismus, die das Problem des heutigen Leistungsdrucks, Konformität und der imaginären Messlatte, die man sich irgendwann selber gesetzt hat, thematisiert.
Es ist bemerkenswert wie gehaltvoll, stimmig, kritisch, poetisch und wahrhaftig ihre Geschichten sind. Dabei nimmt sie kein Blatt vor den Mund und schreckt auch nicht vor vulgären Ausdrücken zurück, die hier nicht genannt werden sollen, aber von denen man sich bei einem nächsten Besuch ihres Bühnenprogramms selber überzeugen kann. Felicitas Friedrich veranstaltet zusammen mit Marock Bierlej und Tim Szlafmyca regelmäßig die Lesebühne „Wir müssen r3den“ im Bochumer Café Eden.
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