Das Theater ist eine Zukunftsbaracke. Was? Doch. Oder warum sollte es sonst ein Festival nur für junges Publikum geben? Die Zuschauer und Kritiker im aufziehenden Virtual-Reality-Zeitalter müssen momentan aber noch auf die realen „Bretter, die die Welt bedeuten“ starren, die eine Bühne nun mal grundsätzlich definieren. Zumindest was die Aufmerksamkeitspanne angeht, scheint es da Innovationen zu geben. Das Theater Tieret aus Belgien gastiert zum ersten Mal in Deutschland mit „Baraque Future“ (Zukunftsbaracke, aha, deshalb). Die blutjungen Zuschauer (ab 5 Jahren) können in einem kleinen Zelt in wenigen Minuten erleben, wie zwei Alchemisten über Gerüche und allerlei abenteuerliche Experimente Erinnerungen, Wünsche und Zukunftsträume lebendig werden lassen.
Und die Belgier kommen wegen Westwind. Das gilt bundesweit als eines der renommiertesten Theaterfestivals für junges Publikum. Es wird jedes Jahr von einem anderen NRW-Theater ausgerichtet. Im 33. Jahr ist es das Schlosstheater Moers. Hier feiert man sowieso das 25. Jubiläum des Moerser Kinder und Jugendtheaterfestivals Penguin’s Days, was könnte also besser passen. Bemerkenswert zur Zukunftsbaracke ist noch, dass das 10-Minuten-Stück gleich 18 Mal in Moers zu sehen ist. Das Schlosstheater wird so für zwei Tage zum 1-Euro-Schauspielhaus, denn teurer sind die Eintrittskarten nicht, die man natürlich auch nicht vorbestellen kann. Zwei weitere Produktionen aus Belgien und den Niederlanden richten sich an die allerkleinsten Zuschauer ab einem Jahr.
Aus 44 Bewerbungen der professionellen Kinder- und Jugendtheater aus ganz NRW hat die dreiköpfige Fachjury die ihrer Meinung nach zehn bemerkenswerten Inszenierungen ausgewählt, und die kämpfen natürlich mit Haken und Ösen und reichlich Heavy Metal um die 10.000 Euro Preisgeld. Das Schwermetall kommt dabei aus Bochum vom Prinz Regent Theater. „Bilder deiner großen Liebe“ (ab 12 Jahren) ist der zweite und letzte Teil über die wilde Isa, die alle aus Wolfgang Herrndorfs Roadmovie „Tschick“ kennen werden. Leichte Kost ist das bei Westwind nicht wirklich alles. Von der sozialen Ungleichheit in Deutschland erzählt die Gruppe pulk fiktion in „All about Nothing – Ein Stück über Kinderarmut“, „Our House“ (ab 12 Jahren) vom Helios Theater Hamm thematisiert in Koproduktion mit dem Ishyo Arts Center Kingali aus Ruanda den Umgang mit Erinnerung in der Migrationsgesellschaft und das Theater mini-art aus Bedburg-Hau beschäftigt sich bei der Stückentwicklung „Das Schutzengelhaus“ (ab 14 Jahren)mit dem Thema der Kindereuthanasie im Dritten Reich.
Wie immer wird das 33. Festival durch ein breites Rahmenprogramm für Kinder und Jugendliche ergänzt. Das heißt, das Publikum teilt Inszenierungsgespräche, besucht das kulturpolitische Forum und natürlich die heiße Beachparty. Was auch nicht alle Tage passiert, Jugendliche KünstlerInnen aus Moers und Umgebung können und werden sich mit Musik und Texten in der „Zukunftsbaracke“ vorstellen. Auch „next generation“, das NRW-Stipendienprogramm für junge TheatermacherInnen, wird es natürlich wieder geben. Ich sag nur: „Götter – Wie die Welt entstand“. Ja wie denn nur?
Westwind Festival | 17.-23.6. | Schlosstheater Moers | www.westwind-festival.de
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