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Foto: Katrin Ribbe

Werther findet nie die Lücke

25. Oktober 2018

Leonie Böhm inszeniert „Die Leiden der Jungen (Werther)“ in Oberhausen – Theater Ruhr 11/18

Briefromane entwickeln oft ein Eigenleben, bei Goethes leidendem „Werther“ ist das auch so. In Oberhausen inszenierte jetzt Leonie Böhm eine großartige Version, die den aufgesetzten Gefühlsduseleien in TV und Internet nachspürt, die den Jungen Generationen, die Dauergast vor dem medialen Schneewittchen-Spiegel sind, das Leben versalzen. Auch heute sind das keine Einzelschicksale, sondern Zustände eines emotionalen Selbstwertwettrennens über Äußerlichkeiten, aber die Auslebung war im Sturm und Drang anders.  Diesen Konflikt bringen nun die drei „Werther“ (Christian Bayer, Emilia Reichenbach und Johannes Rieder) auf die nackte Bühne. Freiheit für die Geister, denn jeder geschlossene Raum ist ja bekanntlich schon ein Sarg.

Christian Bayer stemmt virtuos den ersten Monolog, findet seine Lotte irgendwo in den hinteren Reihen des Publikums, dass die Emilia heißt ist, ihm egal. Die Euphorie der Gefühle und seine Selbstdarstellung füllen den Raum, Goethe glänzt wie eh und je, und das in einem völlig neuen Gewand aus zugefügten Zitaten aus Damals und Jetztzeit. Mit ganzem Körper steht er da – und will doch aus unerfüllter Liebe sterben. Auch Emilia Reichenbachs Werther möchte sich in Lotte verlieren, auch sie kämpft, laut, brüllt sich eher durch ihren Monolog, der eigentlich auch immer ein Zwiegespräch mit dem Publikum ist und mit lauten Technoklängen beginnt. Später begegnen sich die beiden auf der Bühne, zwei Temperamente, die nicht verschmelzen wollen. Leonie Böhm bricht das Mysterium Liebesschmerz mit einer Art Werther-Puck am E-Klavier. Johannes Rieder besingt, karikiert, ordnet wie ein Entertainer, der die Spielshow peinlich spiegelt. Meiden Sie die erste Reihe.

„Die Leiden der Jungen (Werther)“ | R: Leonie Böhm | So 18.11. 18 Uhr, Fr 7.12. 19.30 Uhr | Theater Oberhausen | 0208 857 81 84

PETER ORTMANN

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