Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 31

12.553 Beiträge zu
3.784 Filmen im Forum

Foto: Thomas Rabsch

Undurchdringliche Welt

27. September 2018

Jan Philipp Gloger inszeniert „Das Schloss“ in Düsseldorf – Theater Ruhr 10/18

Ein Königreich für ein Bett: Der völlig erschöpfte Landvermesser K. glaubt, endlich ein ruhiges Plätzchen gefunden zu haben – und landet doch nur unter der Decke des Sekretärs Bürgel, dem ersten Angestellten des Schlosses, der Mitgefühl zeigt. Doch in diesem Moment der Hoffnung überwältigt K. dann der Schlaf. Vertane Chance oder Flucht vor einer weiteren Niederlage? Selbstbewusst und ein wenig arrogant ist K. (Moritz Führmann) ins Dorf gereist, um seinen Job als Landvermesser beim Grafen Westwest anzutreten. Doch in Düsseldorf steht er zunächst vor einem riesigen abweisenden Holzquader, einer undurchdringlichen Kaaba. Dass die blockhafte Struktur immerhin noch eine Verortung von außen und innen ermöglicht, wird später klar, wenn sie sich in fahrbare Elemente auflöst. Immer neue Konstellationen schaffen immer neue Räume. Figuren verschwinden und tauchen auf. Orientierung ist unmöglich geworden.

Jan Philipp Gloger setzt am Düsseldorfer Schauspielhaus Kafkas Roman als faszinierendes Spiel der räumlichen Orientierungslosigkeit in Szene, das komplementiert wird durch eine undurchdringliche Welt der Mehrdeutigkeit. K. setzt auf klassische kapitalistische Soft Skills: Vertrauen, Rationalität, Hierarchie, Vertragsabsprachen. Doch nichts ist, wie es scheint. K‘s Deutungsversuche laufen ins Leere. Er kuschelt zwar mit der kühlen Frieda (Tabea Bettin), doch er täuscht sich in ihrem Verhältnis zum übergeordneten Klamm. Und Barnabas (Jonas F. Leonhardi) ist keineswegs der wichtige Bote des Schlosses, sondern zusammen mit seiner rotschopfigen Familie die Inkarnation der gedemütigten Kreatur. Immer wieder klettern die Figuren die Wände hoch, K. hängt sich auch mal in Kreuzigungspose in die Bretter, die hier wirklich die Welt bedeuten – und verliert allmählich jeden Glauben an seine eigenen Werte. Die geradezu instrumentelle Mehrdeutigkeit der Schlossverwaltung ruft schließlich völlige Erschöpfung hervor. Was das Schloss ist, bleibt offen: Von der verwalteten Welt über die absolute Macht bis zum Wertepluralismus ist vieles möglich. Auch wenn die Parallelen zur Gegenwart zwischen Fakt und Fake News schlagend sind, Gloger enthält sich jeder Anspielung, ist gerade darin von brennender Aktualität. 

„Das Schloss“ | R: Jan Philipp Gloger | 4., 18., 23.10. 19.30 Uhr | Düsseldorfer Schauspielhaus | 0211 36 99 11

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Kung Fu Panda 4

Lesen Sie dazu auch:

Moderne Antwort auf antike Frage
„Die Orestie“ im Schauspielhaus

Die Erbsen sind immer und überall
„Woyzeck“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Prolog 02/24

Wolf oder Schaf
„Mindset“ am D’haus Düsseldorf – Prolog 10/23

Machtspiele
„Maria Stuart“ am Schauspielhaus

Hamsterrad Kapitalismus
„Kleiner Mann – was nun?“ in Düsseldorf – Bühne 10/21

Pathetische Idealisten und faschistische Blutegel
Schillers „Don Karlos“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 02/19

Hölle, wo ist dein Stachel?
„Die Göttliche Komödie“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Bühne 07/18

Wie es den Kwants gefällt
Philipp Löhles „Die Mitwisser“ in Düsseldorf – Theater Ruhr 06/18

Travestie und Lumpenchic
Brechts „Dreigroschenoper“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 12/17

Träum weiter
„Der Sandmann“ in Recklinghausen und Düsseldorf – Theater Ruhr 06/17

Friendly Fire
Düsseldorf kauft Rechte am Schauspielhaus – Theater in NRW 03/17

Kammerspiel des ewigen Singles
Bühnen-Vorschau: „Finnisch“ im Schauspielhaus Bochum am 13.1. – Theater Ruhr 01/17

Theater Ruhr.

Hier erscheint die Aufforderung!