Im Wechselausstellungsraum des Josef Albers Museum in Bottrop sind diesmal keine Gemälde und keine Fotografien zu sehen. Stattdessen befinden sich hier, verteilt im Raum, nüchtern weiße Stellwände, an denen vereinzelt Rasterfolgen aus Eisen oder Holz – skulpturale Wandstücke – hängen. Aus einer der mauerartigen Flächen ist ein rechteckiges Feld herausgeschnitten. Durch diese Öffnung schaut man auf die zweigeschossige Fensterfront und damit nach draußen, in den Stadtgarten. Eine weitere Besonderheit der Stellwände ist, dass ihre Seiten nicht verkleidet sind. Die technische Konstruktion tritt offen zutage und betont noch, dass die Wände funktionale Architektur sind. Sie strukturieren den Saal, sind auf diesen hin angefertigt und tragen dort die Skulpturen. Zugleich sind sie als Module der Installation Teil der Ausstellung von Hubert Kiecol. Das ist sowieso eines seiner Anliegen: Mit seinen Werken reagiert er auf die vorgegebene Situation. Wie er im Gespräch berichtet, interessieren ihn seit einiger Zeit vor allem landschaftliche Gegebenheiten als Orte für seine Skulpturen.
Im Museum Quadrat in Bottrop fokussiert Kiecol nun die Weite, die in den Außenraum führt. Die Idee der Transparenz taucht aber auch als ein Thema der Wandstücke selbst auf. Auf Augenhöhe hängend, bestehen sie rein aus kantigen Gestellen. In einzelne Raster sind Glasscheiben eingesetzt, und die ganz neuen, noch auf Hälftigkeit angelegten Holzarbeiten erinnern unmittelbar an Fenster. Die Setzungen von Kiecol sind knapp, äußerst reduziert. Ausgangsform ist das Quadrat als elementare Grundform, die neben- und übereinander plan auf der Wand aufliegt und von der ausgehend analoge Rasterelemente im rechten Winkel nach außen klappen. Das alles hat etwas Selbstverständliches, und doch offenbart es einen Reichtum an Formvariationen, ist lakonisch, dabei hermetisch und doch ist alles ausgesprochen. Fläche und Volumen, Stille und Unruhe liegen gleichzeitig vor, je nach Standort und Stimmung.
Geboren 1950 in Bremen und seit langem in Köln lebend, war Hubert Kiecol von 1993 bis dieses Frühjahr Professor für die Integration von Bildender Kunst und Architektur an der Kunstakademie Düsseldorf. Er wurde mit dem Wolfgang-Hahn-Preis am Kölner Museum Ludwig ausgezeichnet; einige seiner Werkgruppen zählen zum stilbildenden Kanon der zeitgenössischen Skulptur nach der Minimal Art. Umso erfreulicher ist es, dass jetzt, nach langer Zeit, eine so umfangreiche Ausstellung in der Region zu sehen ist.
Sein Werk entwickelt sich eher langsam, vorsichtig tastend. Die Werkgruppen entstehen über Jahre und sogar Jahrzehnte. Schon zum Ende seines Studiums an der Kunsthochschule Hamburg hat er zu seiner heute vielleicht bekanntesten Formfindung gefunden: zu Treppenstufen, die einen kantigen Block verjüngen, sowie zu den – ebenfalls ungefähr kniehohen – Hausformen, die mit einem „Dach“ abschließen. Das Material Beton liefert den Farbton und die glatte Textur der Oberfläche. Die Konzeption des Hauses aber, seine Struktur und seine formale Dichte, begleitet Kiecol bis heute.
Kiecol legt Grundformen des Gebauten in unserer Zivilisation frei. Wie sehr er sich dabei noch auf konkrete Architekturen bezieht und wie intensiv er an seinen Ausformulierungen arbeitet, das verdeutlicht in Bottrop der zweite Teil der Ausstellung im Untergeschoss des Museums, also wenn man am Ende des großen Ausstellungsraumes die Treppen hinuntersteigt. Dort wartet eine Premiere: Hubert Kiecol präsentiert auf Tischen Zeichnungen, Druckgrafiken, Skizzen, auch Plakate, Ausstellungsansichten sowie Fotos von Architektur, die er auf Reisen im Sinne visueller Notizen aufgenommen hat. So viel erfährt man sonst kaum über diesen wichtigen Bildhauer.
„Hubert Kiecol. WeissGlasSchwarzRot“ | bis 21.8. | Josef Albers Museum Quadrat Bottrop | 02041 297 16
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