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Ein Sommernachtstraum. Weißer Akt in blauem Licht. Ch.: Heinz Spoerli
Foto: Bettina Stöß

Sinnliche Liebeswirren

08. November 2012

„Sommernachtstraum“ im Aalto Theater - Bühne 11/12

Ein außergewöhnliches „masterpiece“ präsentiert das Aalto Ballett Theater in Essen. Mit einem „Sommernachtstraum“ angesiedelt zwischen Klassik und Moderne und zwischen Schauspiel und Tanz überraschte der neoklassische Altmeister Heinz Spoerli. Seine meisterhafte Choreografie setzt dabei ganz auf die ausdrucksstarken Solisten des Aalto Ballett, allen voran Wataru Shimizu, der als sprungstarker und facettenreicher Puck begeisterte. Herausragend auch Sergio Torrado als Elfenkönig Oberon und Xiyuan Bai als leichtfüßige, fast schwebende Hermia. Einmal mehr bestätigt sich, wie wichtig hervorragende Solotänzer für ein Spitzenensemble sind.

Mutig wechselt die Inszenierung zwischen verschiedenen Ebenen, die tief hineinführen in Shakespeares hintergründige Komödie: Helena liebt Demetrius, Demetrius liebt Hermia und die den Lysander. Um die Verwirrung noch zu steigern, versprüht Puck zum Spass von Oberon einen Liebeszauber – und schon wechseln die Menschen den Liebespartner. Selbst seine Frau Titania spart Oberon nicht aus, die sich in Zettel verliebt, der ihr als (verzauberter) Esel begegnet.

Spoerlis Inszenierung folgt Shakespeares doppelbödiger Komödie, die die reale Welt und Traumwelt kräftig aufmischt, um zu zeigen, wie austauschbar Liebespartner sind. Versöhnlich aber werden zum Schluss die Richtigen wieder zusammengeführt. Durchgängig spielt die Inszenierung mit diesen beiden Seiten einer Medaille und bringt sie in vielen Licht- und Ausstattungselementen metaphorisch zum Vorschein. Sind die Tänzer anfangs nur schwarze, nicht greifbare Silhouetten im Gegenlicht, wandelt sie ein Lichtwechsel in weiße Lichtgestalten, die gleich darauf in einer fahrbaren Spiegelwand doppelt erscheinen. Der Spiegel wird im Verlauf des weiteren Spiels noch anderen vorgehalten.

Dann wird das Ballett regelrecht umgestülpt. Erst tröpfeln naturhaft grün Gekleidete zwischen die weißen Trikots, bis sie schließlich alle verdrängt haben und Elfenkönig Oberon und seinem Hofgefolge der Wald gehört. Grellgrün wird dieser Wald als moosüberwuchertes Dickicht projiziert und gleich wieder mit der Spiegelwand gedoppelt. Undurchdringlich wie die Wucherungen der Liebe erscheint dieser Wald, der doch Treffpunkt der Liebenden sein soll. Bewegliche Bühnenelemente sorgen für einen nahtlosen Übergang von der Traum- in die reale Welt und zurück. Kongenial wird das inhaltlich-choreografische Anliegen von Bühnenbild (Hans Schavernoch), Kostümen (Keso Dekker) und Lichtgestaltung (Martin Gebhardt) bereichert. Vom Klettergerüst mit transparenten Scheiben beobachtet Puck das Treiben der Handwerker, die jetzt schauspielernd die Bühne übernehmen. Es ist schon gewöhnungsbedürftig, wenn ein Ballett immer wieder von Shakespeare´schen Sprechszenen unterbrochen wird. Was anfangs wie ein Fremdkörper wirkt, fügt sich trotz klamaukhafter Züge dann doch unproblematisch in die Inszenierung ein. Fast könnte man meinen, dass das holzschnittartige Spiel die tänzerischen Qualitäten der Solisten auf der choreografischen Ebene noch hervorhebt. Deren Begegnungen führen zu gefühlsstark choreografierten Pas-de-deux. Spoerli sieht in der Beliebigkeit des Partner-Wechsels, die er ganz diplomatisch „Variationen“ nennt, etwas Minimalistisches. Deshalb steht Felix Mendelssohn-Bartholdys Sommernachtstraum-Musik auch nur in Auszügen hinter dem Ballett. Stattdessen greift der Choreograf auf die Minimal-Musik von Steve Reich und Philipp Glass zurück, die für ihn in ihrer geometrischen Klarheit die Austauschbarkeit der Beziehungen eindeutiger ausdrückt. Es ist eine Musik, die sicher eindeutiger zu den Abstraktionsebenen passt, auf die Spoerli die Inhalte dieses Handlungsballettes hebt. Der abschließende „weiße Akt“ zum Violinkonzert von Philipp Glass wird zur choreografisch-tänzerischen Apotheose dieses großartigen Ballettes. Die drei Liebespaare begegnen sich noch einmal in einem Tanz voller Gefühl und Sinnlichkeit, den die Solistin Lucja Madziar von den Essener Philharmonikern mit ihrem einfühlsamen Violin-Spiel begleitet.

„Ein Sommernachtstraum" | Weitere Aufführungen: 17., 22., 25. 11. und 2., 8. 17. 12. | Aalto Theater | Opernplatz 10, Essen | www.aalto-ballett-theater.de

Klaus Keil

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