Erst waren es diese verheerenden Auswirkungen des Giftschlamms auf Menschen und Natur in Brasilien, die Silke Huysmans und Hannes Dereere in „Mining Stories“ (2016) erforschten. Dann widmeten sich beide in „Pleasant Island“ (2019) der nordöstlich von Australien gelegenen, pazifischen Insel Nauru, die als Internierungslager für Geflüchtete eine traurige Bekanntheit erlangte, zugleich aber auch die Narben einer ökologischen Zerstörung trägt.
Metalle im Meeresboden
Mit „Out of the Blue“ erfolgte der Abschluss der Trilogie von Silke Huysmans und Hannes Dereere, der die Deutschlandpremiere auf Pact Zollverein erlebte. Ihre Performance, aufgeführt im Rahmen des Festivals „Claiming Common Spaces IV: Cool Down“, erkundet den Tiefseebergbau der Zukunft. Das Duo greift in ihrer Produktion eine Konstellation auf, in der im Frühjahr 2021 an einem abgelegenen Fleck des Pazifiks drei Schiffe aufeinandertreffen.
Die erste Crew befindet sich an dieser Stelle im Auftrag des belgischen Baggerkonzerns Deme-Gsr. Das Unternehmen lässt Bergbauroboter vier Kilometer unter der Meeresoberfläche abtauchen, um Metalle über dem Meeresboden abzukratzen. Schließlich finden diese Verwendung für Batterien, etwa für E-Autos. An Bord der zwei weiteren Schiffe befinden sich ein Forschungsteam sowie auf der Rainbow eine Gruppe von Greenpeace-Aktivisten.
Verdrängte Zerstörung
Silke Huysmans und Hannes Dereere haben alle drei Schiffsbesatzungen kontaktiert, um mit ihnen Interviews für ihr Bühnenprojekt zu führen. Denn „Out oft he Blue“ besteht vor allem aus den Rechercheergebnisse, die beide in der Tradition des Dokumentartheaters auf einer großen Leinwand präsentieren, ohne selbst das Wort zu ergreifen, ohne eine moralische Anklage zu erheben. Ihre Performance eröffnet vielmehr einen Denkraum, in dem die industrielle Erschließung eines Erdteils hinterfragt wird, der noch immer weniger erforscht ist als etwa der Mond.
Es stimmt nicht hoffnungsvoll, was die Protagonisten in ihren Beiträgen sagen. Ein Meeresbiologe erzählt von den Reaktionen im Privatkreis, wenn er über „die Folgen von Tiefseebergbau, Öl, Gas und Plastik“ berichtet. Manche werden depressiv, andere wollen die Klimazerstörung nur noch verdrängen. Aber nach diesem Aufklärungsstück kann keiner mehr sagen, wir hätten nichts gewusst von dieser Naturausbeutung der Zukunft.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Spontan und demokratisch
„À la carte“ am PACT Zollverein Essen
Verzauberung des Alltags
The Düsseldorf Düsterboys in Essen – Musik 07/24
Körperpolitik und Ekstase
„Tarab“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 07/24
Fortschritt ohne Imperialismus
„Libya“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 02/24
Vernetzung und Austausch
Kultur Digital Kongress auf PACT Zollverein – Gesellschaft 10/23
Die Trommel mal ganz vorne
„Schlagzeugmarathon“ in Essen – Improvisierte Musik in NRW 08/23
Einblick in die Imaginationsmaschinerie
„A Day is a Hundred Years“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 06/23
Ruhrpott als Hiphop-Heimat
Neues Urban Arts Ensemble Ruhr von Pottporus e.V. – Tanz an der Ruhr 06/23
„Orte der Kunst könnten etwas anderes sein“
Stefan Hilterhaus über die Kunstproduktion – Interview 04/23
Das Ende einer Spezies?
„The Very Last Northern White Rhino“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 02/23
Verflüchtigung der Männlichkeit
„Bisonte“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 02/23
Indigener Widerstand
„Encantado“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 08/22
„Eine andere Art, Theater zu denken“
Dramaturg Sven Schlötcke über „Geheimnis 1“ am Mülheimer Theater an der Ruhr – Premiere 08/24
Zahlreiche Identitäten
6. Hundertpro Festival in Mülheim a.d. Ruhr – Prolog 07/24
Keine Spur von Rechtsruck
Die Ruhrtriennale 2024 in Bochum, Duisburg und Essen – Prolog 07/24
„Das Risiko war der Neustart“
Die Intendantinnen Christina Zintl und Selen Kara nach ihrer ersten Spielzeit am Schauspiel Essen – Interview 07/24
„Das ist fast schon eine Satire“
Alexander Becker inszeniert „Die Piraten von Penzance“ am Opernhaus Dortmund – Premiere 07/24
Für Groß und Klein im Ruhemodus
Sommertheater in NRW – Prolog 06/24
Piraten von gestern und heute
Die Junge Oper Dortmund zeigt „Die Piraten von Penzance“ – Prolog 06/24
Queen trifft Edith Piaf
„Bye-Bye Ben“ am Aalto Theater Essen – Tanz an der Ruhr 06/24
Non-binär und nicht vergoethet
„Mein Blutbuch“ in der Essener Casa-Theaterpassage – Prolog 06/24
„Es ist ein Weg, Menschen ans Theater zu binden“
Regisseurin Anne Verena Freybott über „Der Revisor kommt nach O.“ am Theater Oberhausen – Premiere 06/24
Grusel und Skurriles
40. Westwind Festival in Essen – Prolog 05/24
Gegen Remigrationspläne
Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen – Was danach geschah“ am Schauspielhaus Bochum – Prolog 05/24