Lässig steht das junge Mädchen im Raum. Ziemlich burschikos, mit freiem Oberkörper, die Hände in den Taschen, blickt es den Betrachter regungslos an. Das Mädchen ist eine Bronzearbeit (2010, patiniert, 170 x 66 x 60 cm, Aufl. 3) von Stella Hamberg, Shootingstar der Bildhauerszene, die sich mit riesigen Berserker-Skulpturen im neu eröffneten Albertinums in Dresden ins Licht der Öffentlichkeit wütete. Erst vor zwei Jahren hatte die Künstlerin in Goslar ihre erste Einzelausstellung in einem Museum.
Jetzt ist ihre Ausstellung „Götter 1“, die auch Bildhauerzeichnungen beinhaltet, in der Neuen Galerie Gladbeck zu sehen. Stella Hambergs Figuren stehen sockellos auf dem Fußboden und teilen so mit dem Betrachter die gleiche Ebene. Die Figuren „Der Freund“ und „Das Mädchen“, keine historischen Figuren, sind nur wenig größer als die Durchschnittsdeutschen und die Besucher können ihnen in die Augen schauen. Diese relativ neuen Bronzen wirken weder heroisch, noch elegant, trotz ihrer teilweise geglätteten Oberflächen.
Bronze war als Material unter den zeitgenössischen Künstlern lange Zeit wegen ihres repräsentativen Charakters verpönt. Hamberg stört das nicht, denn gerade weil das Metall für sie den Nimbus „von etwas Ewigem“ hat, kann sie dagegen mit Wucht ankämpfen. Diesen Kampf gegen das Ewige, das stets mit der Vorstellung von bestimmten Idealen verknüpft ist, führt Hamberg auch mit intendierter Unvollkommenheit. Doch die gezielt gesetzten Disproportionen an Köpfen, Händen und Füßen rauben den Figuren nicht ihre Kraft, auch wenn sich diese in jüngster Zeit nicht mehr so wüst an der Oberfläche zeigt. Ganz neu in der Gladbecker Schau ist eine Serie von kleineren Plastiken, die erstmalig zu sehen sein werden.
Hamberg ist von der Idee der Alchemie fasziniert: Solange im Dreck wühlen, bis etwas Neues entsteht, nennt die aus Hessen stammende Wahlberlinerin das, die an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden bei Prof. Martin Honert Bildhauerei studierte. Die Bildhauerin sucht in der Kunst nicht Information, sondern Erfahrung und Atmosphäre. Das gilt für den Arbeitsprozess wie für das fertige Werk. Eine Haltung, die mit der traumähnlichen Aura ihrer neuen Arbeiten korrespondiert, auch wenn Hamberg den Mythos etwas poliert hat.
Stella Hamberg „Götter 1“ | 17.5.-12.7. | Neue Galerie Gladbeck | 02043 3 19 83 71
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