„Mach einen Umweg, Peer. Geh außen rum.“ Diesen Satz des Krummen haben sich im Ruhrgebiet drei Theater zu Herzen genommen und zeigen Henrik Ibsens Peer Gynt im Angesicht der Corona-Pandemie in drei Versionen, an drei Tagen, an drei ungewöhnlichen Orten. Das passt nicht nur zu den wechselnden Schauplätzen im Stück, auch zu den unterschiedlichen Inszenierungen von artscenico aus Dortmund, dem theaterkohlenpott aus Herne und dem Rottstr. 5 Theater Bochum. Märchenhaft scheinen die Erlebnisse des jungen Fantasten zu sein, der rastlos die Welt bereist, obwohl er doch eigentlich längst sein Zuhause gefunden hatte. Doch dies kann er nicht erkennen. Schwierigkeiten, Probleme lügt er weg, seine Welt ist zu fantastisch real, dass er sich mit geistigem „travelling without moving“ zufriedengeben könnte.
Und – so ein richtiges Märchen ist Ibsens dramatisches Gedicht ja eigentlich nicht, wenn es seinen Ursprung auch in norwegischen Feengeschichten gehabt haben soll – eigentlich ist es auch ein Husarenritt durch europäische Kolonialgeschichte und ein gekonntes Spiel mit dissoziativen Identitätsstörungen, viel Innovation fürs 19. Jahrhundert und beileibe Grund, warum dieses Stück bis heute seine Faszination auf den Bühnen behalten hat, ob mit zerquetschter Zwiebel oder ohne. Die drei freien Theater jedenfalls werden an diesen drei Tagen im August sehr unterschiedliche und stark komprimierte Versionen desselben Urstoffs abliefern und dabei auch mögliche konträre Sichtweisen auf die Figur des zweifelhaften Helden offenbaren. Prahlhans, Größenwahnsinniger oder einfach nur an der Realität zerbrochen? Das müssen die Zuschauer dann selbst beurteilen, und hoffentlich wird Solveig dabei in ihrer Funktion als Schlüsselfigur endlich mal besonders gewürdigt.
Bereits im vergangenen Herbst fanden sich auf Initiative von Rolf Dennemann von artscenico Dortmund die Ruhrgebiets-Theater zusammen, um erstmals eine gemeinsame Produktion zu realisieren. Eigentlich sollte Peer Gynt in Theatern und im Park gezeigt werden, doch die Pandemie verhinderte das und so werden alle Produktionen in den Parkanlagen gezeigt, jeweils 30 bis 50 Personen dürfen so daran teilhaben – mit Abstand, versteht sich.
„Peer Gynt“ | 14.8. Park Schloss Strünkede in Herne, 15.8. Westpark Bochum, 16.8. Hoesch-Park Dortmund | je 18 u. 19 Uhr | info.peerimpark@gmx.de
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Wer bin ich und wenn ja wie viele Zwiebeln?
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