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Nach der Demokratie

POLITIK-LABOR – Ein Thema, drei Schwerpunkte: Aufmacher, Interviews, Europa-Artikel, Glosse und Lokaltexte aus Köln, Wuppertal und dem Ruhrgebiet

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Composing: Robert Michalak
 

Nach der Demokratie / Die Krise des Parlamentarismus
Intro (Link zur Langfassung)

Auf mich hört ja keiner! – bricht es leicht aus Gesprächspartnern hervor, wenn es um Politik geht. Dahinter steht praktisch nie die Erwartung, demokratisch gewählte Regierungen hätten die Wünsche des Gesprächspartners zu bevorzugen. Sondern die Empörung darüber, wie sie Interessen der Bevölkerung ignorieren – sei es durch Unterfinanzierung von Pflege und Bildung, Verschleppung von Verkehrs- und Energiewende oder Verweigern gerechter Steuergesetze. So verliert mit der Demokratie ausgerechnet die Regierungsform an Vertrauen, die einander widerstreitende Interessen ausgleichen sollte. Als Postdemokratie hat der Politologe und Soziologe Colin Crouch zu Beginn des Jahrhunderts ein System beschrieben, in dem Wahlen weiterhin Regierungswechsel erlauben, allerdings PR-Apparate die Themen orchestrieren. Im Monatsthema NACH DER DEMOKRATIE fragen wir, ob den Demokraten die Argumente ausgehen.

Nach der Demokratie / Die Krise des Parlamentarismus
Teil 1: Engagement und Widerstand

Ohne das zivile Engagement von Vereinen, NGOs und Ehrenämtern würde die Gesellschaft zusammenbrechen. Erst die jüngere Klimabewegung hat vor Augen geführt, wie einflussreich diese Beteiligung ist. Bürgerentscheide könnten ein Mittel sein, auf Landes- oder Regionalebene lebensnahe und mehrheitsfähige Politik zu fördern. Sie betreffen aber tendenziell das Klein-Klein, während die Krise der Demokratie auch Ursachen im Großen hat. Bei allem Recht, gehört zu werden: Auch ein mehrheitlicher Bürgerwille ist nicht per se demokratisch, kann er doch gegen entscheidende Grundsätze verstoßen (z.B. Minderheitenschutz). Mehr Bürgerwille allein führt daher nicht aus der Krise. Wie stark ist der Einfluss der Zivilgesellschaft auf die Demokratie und die Parlamente? Wo liegen Chancen und Risiken?

Nach der Demokratie / Die Krise des Parlamentarismus
Teil 2: Parteien und Parlamente

Hinter Politikverdruss steht das Bild von Parteien, die halbkriminelles Verhalten ihrer Mitstreiter goutieren und keine Verantwortung für Fehler übernehmen. Hinzu kommt politische Selbstentmachtung, wenn über die Legislative hinweg notverordnet wird. In der divers(er)en Gesellschaft mangelt es zudem an Stammwählern und großen Fraktionsmehrheiten, die eine Richtung vorgeben können; zähe Kompromisse scheinen unvermeidbar. Wird so eine plurale Demokratie handlungsunfähig? Reformvorschläge zielen auf eine engere Bindung zwischen Wählerwillen und Regieren. Zu diesen zählen beispielsweise flexible Koalitionen je nach Thema oder etwa eine Rangfolgenwahl, bei der Wähler Parteien nach Präferenz reihen. Wie stehen die Chancen für handlungsfähige und bürgernahe Parlamente?

Nach der Demokratie / Die Krise des Parlamentarismus
Teil 3: Medien und Öffentlichkeit

Die Talkshow-Routine der Öffentlich-Rechtlichen zieht viel Spott auf sich. Zwar ist eine gewisse politische Bandbreite durchaus vertreten, kommen wissenschaftliche Experten zu Wort. Die Themen ähneln einander aber durchweg und der zeitliche Rahmen sowie teils kenntnisarme Moderatoren erlauben keine diskursive Vertiefung. Zur journalistischen Disziplin gehört es, zwischen Information und Meinung zu trennen. Doch Behauptungen aus Politikermunde werden von früh bis spät in den Medien wiederholt. Dass es sich um Unbelegtes oder teils Wiederlegtes handelt, kommt dabei nicht zur Sprache. Nicht zuletzt ist die öffentliche Diskussion von Berufsmeinungen und -interessen geprägt, etwa durch Unternehmer und Gewerkschafter. Eine möglichst ungefilterte Sichtweise kann damit nicht eingeholt werden. Was spricht dagegen, Gesprächsrunden mit diversesten Bürgern zu senden? Könnte es ein Anfang sein, eine Debattenkultur zu schaffen, die den Namen verdient?

Nach der Demokratie / Die Krise des Parlamentarismus
Teil 4: Europa gestalten – Vorbild Belgien

Uneinigkeit kann produktiv für eine Demokratie sein. So nutzte die Bürgerplattform G1000 die die Unzufriedenheit der Bevölkerung: Unter dem Motto „We need to talk“ konnten sich alle Belgier:innen online zu Reformvorschlägen bezüglich staatlicher Subventionen für Parteien positionieren. Auf der Basis dieses Meinungsbildes tagte von März bis Mai ein aus gelosten Personen zusammengesetzter Bürgerrat. Dessen Empfehlungen: Jede Partei solle unabhängig von ihrer Größe über ausreichend Geld verfügen. Doch dafür brauche es klare Regeln, eine Obergrenze und vor allem Transparenz durch Listung der Ein- und Ausgaben. Auch außerhalb von Belgien werden Bürgerräte populärer. Das Risiko, folgenschwere Entscheidungen zu fällen, ist gegenüber Referenden oder Volksinitiativen verringert – Bürgerräte werden von Expert:innen begleitet und haben nur beratende Funktion.

Nach der Demokratie / Die Krise des Parlamentarismus
Teil 5: Glosse – Mögen Körperflüssigkeiten den Parlamentarismus retten

Das war’s. Schluss. Aus. Ende. Das Experiment Demokratie ist gescheitert. Was haben Reisefreiheit, Redefreiheit, die freie Wahl des Arbeitsplatzes, freie Presse und freie Meinungsäußerung uns gebracht? Den freien Fall. Heute krakeelt jeder seine Meinung in die digitale Welt. Hier wird von drohendem Bürgerkrieg gesprochen, dort von der Sehnsucht nach einem starken Mann (ein politischer Ödipuskomplex?). Die da oben machen nur Regenbogenpolitik, statt mal ernste Probleme anzugehen. Ich baue mir meinen Bunker, da bin ich König. Ich wandere aus. Ich guck einfach keine Nachrichten mehr. Ich mache mir Sorgen um die Zukunft, darum mache ich Poetry-Slam. Ich. Ich. Ich. Doch Demokratie braucht ein Wir. Wir sehen aber nur: Sie ist obsolet geworden, die Demokratie.

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