On the road again.Zwei braune Körper arbeiten sich synchron vorwärts. Wohin? Das weiß niemand. Maschinelle Musik begleitet sie. Snares, Metallplatten? Die Choreografie „Road“ ist von Oscar Buthelezi aus Südafrika, und der ist in diesem Jahr nominiert für den Kurt-Jooss-Preis in Essen. Der international ausgeschriebene Tanz-Förderpreis ist mit 12.000 Euro dotiert und wird an Nachwuchs-Choreografen vergeben. Der Preis wird alle drei Jahre gemeinsam von der Stadt Essen und der Stiftung Anna Markard (1931-2010, Tänzerin und Tochter von Kurt Jooss) und ihrem Ehemann, dem Bühnenbildner Hermann Markard ausgeschrieben und ist bis heute gesichert. Die Bewerberinnen und Bewerber unterliegen weder einer stilistischen noch einer Altersbegrenzung. Kein Wunder, dass sich beim letzten Mal (2013) 120 Choreografen aus 21 Ländern beworben haben.
Anlässlich des 100. Geburtstages von Kurt Jooss wurde im Jahr 2001 erstmals der Kurt-Jooss-Preis im Rahmen des Folkwang-Fest der Künste : Tanz! verliehen. Kurt Jooss (1901-1979) war deutscher Tänzer, Choreograf und Ballettmeister. 1927 wurde er als Ballettmeister nach Essen berufen, wo er die Folkwangschule mitbegründete und ein Jahr später mit Kollegen das Folkwang Tanzstudio Experimentalgruppe gründete. Mit der 1932 entstandenen Choreografie „Der grüne Tisch“ schaffte er den internationalen Durchbruch. Am grünen Tisch werden auch die Bewerber von Fachleuten (beispielsweise die Choreografin Reinhild Hoffmann oder Martin Schläpfer, Balletdirektor und Chefchoreograf am Ballet am Rhein Düsseldorf/ Duisburg) ausjuriert. Leicht ist das sicher nicht.
Wer ist 2016 noch nominiert? Der zweite ist Eyal Dadon aus Israel. Auch er arbeitet gern auf einer völlig leeren Bühne. Seine Choreografie „Finally will arrive“ scheint wie ein Reflex auf Oscar Buthelezis „Road“ zu sein und wurde zuerst für die Kibbutz Contemporary Dance Company einstudiert. In der Arbeit dominieren serielle Bewegungen und intensive Musik, die Tänzer lassen Gemeinschaft entstehen, aber auch wieder vergehen. Auch Alexandra Waierstall scheint viele serielle Strukturen in ihren Choreografien zu verwenden. In „Recording Fields“ beispielsweise tickt eine Uhr, in „Mapping the Wind“ herrscht lange Zeit Stille. Die Deutsch-Zypriotin sucht Übergänge von Wahrnehmung, Empfindung und Erkenntnis, will Stille hörbar machen. Sie ist die dritte Nominierte für den renommierten Tanz-Förderpreis, auch in diesem Jahr gab es immerhin 70 Bewerbungen aus 26 Ländern.
Im Mai wird der Kurt-Jooss-Preis auf PACT Zollverein im Choreografischen Zentrum NRW verliehen. Alle drei Nominierten werden dann einen Teil ihrer Arbeit zeigen und sich so dem Publikum stellen, das in diesem Jahr zum zweiten Mal aktiv mit eingebunden wird. Im Rahmen einer Publikumspreisverleihung wählen die Zuschauerinnen und Zuschauer ihre favorisierte Tanzperformance.
Kurt-Jooss-Preis 2016 | Sa 14.5. 20 Uhr | PACT Zollverein/Choreographisches Zentrum NRW | 0201 289 47 00
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