In der Weitläufigkeit des Museum Folkwang blieb bislang der eigene, bedeutende Sammlungsbestand etwas blass: Die Wechselausstellungen waren für einen guten, erkenntnisreichen Nachmittag voll ausreichend. Nun ist hier in den letzten Jahren einiges passiert. Nach der baulichen Erweiterung des Museums mit zusätzlichen Möglichkeiten der Sammlungspräsentation, gibt es freien Eintritt in diese, ermöglicht durch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, und mit Peter Gorschlüter hat ein neuer Direktor seinen Job angetreten, der einen besonderen Schwerpunkt auf die Sammlung legen will und dazu die Inhalte ihrer Exponate im vergleichenden Sehen herausarbeitet. So jedenfalls ist seine Sammlungsausstellung angelegt. Der Titel „Neue Welten“ ist programmatisch zu verstehen. Einbezogen sind Exponate aus geographisch und zeitlich fernen Kulturen; vorgestellt werden auch viele Werke, die ewig nicht mehr zu sehen waren.
Bei dieser Präsentation waren viele Köche am Werk. Die verschiedenen Fachkuratoren sichteten die Bestände und tauschten sich untereinander aus. Das macht die Ausstellung mit ihren 24 Kapiteln positiv unvorhersehbar und überraschend. Die Stimmung wechselt von Raum zu Raum, sie bricht zunehmend mit der Chronologie, um die Evidenz einzelner Motive und Fragestellungen hervorzuheben. Natürlich gibt es auch das zu sehen, was man erwartet, etwa die Meisterwerke impressionistischer Malerei oder der Entwurf der Kathedrale in der Kunst der Moderne, der hier um eine Neonarbeit des Minimalisten Dan Flavin bereichert ist. Die Ausstellung wechselt zwischen der Abfolge in Passagen und offenen Räumen. Einzelne Künstler wie Max Beckmann, Edvard Munch oder Thomas Schütte kehren mit ihren Werken an verschiedenen Stellen wieder und nisten sich so mit Gewinn in der Wahrnehmung ein. Manches (etwa die Darstellung von Kindern oder von Masken) hätte vielleicht nicht so geballt angehäuft werden müssen und verliert so an Tiefe und der Differenz der Aussagen.
Wie weit die Farbfeldmalerei und das Hard Edge reichen, untersucht ein eigener Ausstellungsraum. Ein anderer ist dem Verschwinden der Farbe gewidmet; exemplarisch sind hier die Beiträge der ZERO-Künstler eingefügt. Etwas überraschend sind dazu Gemälde von Roman Opalka und dem jüngeren Maler Norbert Frensch gehängt.
Fast leitmotivisch sind immer wieder Exponate der fotografischen Sammlung integriert. Sie unterstreichen eindrucksvoll, dass die Fotografie nicht erst seit der Becher-Schule eine Kunstform ist. Und sie verdeutlichen, warum die Fotografische Sammlung am Museum Folkwang, aufgebaut von Ute Eskildsen, einen sensationellen Ruf hat. Und fast möchte man für die Ausstellung „Neue Welten“ sagen, dass eben die Fotografische Sammlung sich hier auf leise Weise am besten in Szene setzt. Und dann gibt es ja die machtvollen Beiträge der Neuen Medien mit ihren installativen Präsentationen von Fotoserien aus der jüngsten Zeit, die die Malerei der Moderne leider doch etwas älter aussehen lassen. Begleitet sind die Raumsegmente von teils längeren Wandtexten, die die Inszenierungen in einen größeren Zusammenhang einordnen: Geschenkt, die Werke schaffen es von alleine.
Neue Welten – Die Entdeckung der Sammlung | Museum Folkwang Essen | 0201 884 54 44
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Geschichten einer Leidenschaft
Oskar Kokoschka mit den Porträts von Alma Mahler in Essen – kunst & gut 05/25
Der ganze Körper in Aktivität
Paula Rego im Essener Museum Folkwang
Exzessive Porträts
Alma Mahler-Porträts von O. Kokoschka im Essener Folkwang
Auf Augenhöhe
Deffarge & Troeller im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/25
Hin und weg!
„Ferne Länder, ferne Zeiten“ im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 05/24
Keine Illusionen
Wolf D. Harhammer im Museum Folkwang in Essen – kunst & gut 03/24
„Wir sind stolz darauf, diese Werke im Bestand zu haben“
Kuratorin Nadine Engel über die Ausstellung zu Willi Baumeister im Essener Museum Folkwang – Sammlung 02/24
Visionen von Gemeinschaft
„Wir ist Zukunft“ im Essener Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/24
Aufbruch und Experiment in Paris
Meisterwerke der Druckgraphik im Museum Folkwang in Essen – kunst & gut 10/23
Kompatibel mit Museum
Rafaël Rozendaals NFTs in Essen – Ruhrkunst 05/23
Schütten statt Pinseln
Helen Frankenthaler im Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/23
Sie macht ihre Reisen im Internet
Thomas Seelig über Daniela Comani im Museum Folkwang – Sammlung 01/23
In der Kunstküche
„Am Tisch“ und Medienkunst im Dortmunder U – Ruhrkunst 06/25
Women first!
Judy Chicago in Recklinghausen – Ruhrkunst 06/25
Gegen den Strom
Dieter Krieg im Museum Küppersmühle – kunst & gut 06/25
„Moderne Technologien werden immer relevanter“
Die Leiterin der Kunstvermittlung des ZfIL Unna, Christiane Hahn, über die neue Jahresausstellung – Sammlung 06/25
Bewegung und Berührung
Eva Aeppli und Jean Tinguely in Duisburg – Ruhrkunst 05/25
Einflüsse verschmelzen
Nadira Husain im Kunstmuseum Gelsenkirchen – Ruhrkunst 05/25
„Der Zweifel ist wach zu halten“
Direktor Nico Anklam über die Ausstellung der Ruhrfestspiele 2025 in der Kunsthalle Recklinghausen – Sammlung 05/25
Muster im Dunkeln
„Holding Pattern“ im Dortmunder U – Ruhrkunst 04/25
Notfalls gepunktet
Gritli Faulhaber in Essen – Ruhrkunst 04/25
Der Mensch in prekären Zeiten
„We“ im Kunstmuseum Mülheim – kunst & gut 04/25
„Was Handwerk und was Kunst ist“
Co-Kurator Markus Heinzelmann über „Das halbe Leben“ im Bochumer Museum unter Tage – Sammlung 04/25
Nudel, Mops und Knollennase
Loriot in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen – Ruhrkunst 03/25