Die Kunst des Informel, die in den 1950er und 1960er Jahren die wichtigste Strömung der Avantgarde in Deutschland war und ab Ende der sechziger Jahre von unzähligen Künstlern bis zur Beliebigkeit umgesetzt wurde, ist in ihren besten Beispielen fester Bestandteil der Aktivität des Märkischen Museums Witten. So hat Wolfgang Zemter als langjähriger Museumsleiter wiederholt Werkschauen der wichtigen Vertreter durchgeführt und sein Nachfolger Dirk Steinmann hat nun diesen Ball aufgenommen. Nach der letztjährigen Ausstellung von plastischen Arbeiten des Informel sind derzeit frühe Gemälde dieser Stilrichtung von Künstlern an Rhein und Ruhr zu sehen: Malereien, die ganz auf den Gegenstand verzichten, sich stattdessen formatfüllend aus Balken oder gestischen Strichen konstituieren, den Malakt selbst in den Vordergrund rücken, nur noch mit Farbe handeln und diese immer wieder thematisieren, aber selten bunt, vielmehr dunkel gehalten sind. Malerei wird als Vorgang mit formalen Verdichtungen und peripheren Ereignissen anschaulich, als Raumgefüge und als Verharren auf der Fläche.
Geglückt ist, dass dieselben Künstler im Wechselausstellungsbereich des Wittener Museums in unterschiedlichen Konstellationen miteinander kombiniert sind. Aber war die informelle Malerei schon in ihrer Frühzeit tatsächlich so uniform? Von den individuellen Leistungen der Künstler erfährt man merkwürdig wenig; auch die existenzielle Dimension, die dieser Malerei zugrunde lag, wird hier nicht deutlich. Vielleicht wäre ein Wandtext zur Einleitung und Vermittlung dieser Ausstellung hilfreich gewesen? Zu den ausgestellten Künstlern gehören immerhin Peter Brüning, Werner Schriefers und Hans-Jürgen Schlieker mit sehr guten Gemälden. Und (auch darauf wird leider nicht hingewiesen) man sollte unbedingt noch die ständige Sammlung auf derselben Etage anschauen, wo nun die „berühmteren“ Hauptvertreter der informellen Malerei gezeigt werden. Erst damit rundet sich das Bild vom „Look“ der Malerei dieser Jahre. Jenseits ausgetretener Pfade also doch ein wichtiger Beitrag zur Frühzeit der informellen Malerei.
„Tief im Westen“ I Bis 21.8. I Märkisches Museum Witten I 02302 581 25 50
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