In den 50er und 60er Jahren war das Informel der hierzulande meist verbreitete Kunststil. Dabei handelt es sich um eine abstrakte Malerei, bei der die Farbe spontan gestisch auf die Leinwand gesetzt wird. Thema ist die Befindlichkeit des Malers, die sozusagen 1:1 auf der Leinwand dokumentiert wird. Aus der Schar der Künstler, welche der informelle Malerei nachgingen, sind heute nur noch ein, zwei Dutzend bekannt, weil sie eine ebenso eigenwillige wie innovative Kunst geschaffen haben. Dazu gehört K.O. Götz, der auch im deutschen Pavillon auf der Biennale Venedig ausgestellt und an der documenta teilgenommen hat, ja, zu den großen deutschen Künstlerpersönlichkeiten gehört. Als einziger deutscher Maler war er Mitglied der Gruppe „COBRA“, er gehörte Anfang der 50er Jahre mit drei Kollegen der legendären Frankfurter „Quadriga“ an und wurde 1982 zum „Symposion Informel“ nach Saarbrücken eingeladen, welches rückblickend die Bedeutung dieser Kunstrichtung herausarbeitete.
Götz hat unlängst seinen 100. Geburtstag gefeiert, geistig wach, allerdings mit eingeschränktem Augenlicht, weswegen er sich schon vor zwei Jahrzehnten der Keramik zugewandt hat, die nicht die ausfahrende Geste benötigt, aber den gesamten Körper aktiviert. Einige keramische Reliefs waren vor zwei Jahren im LehmbruckMuseum, also auch in Duisburg ausgestellt; die derzeitige Ausstellung in der Küppersmühle aber konzentriert sich auf die Malerei – das eigentliche Medium von Karl Otto Götz.
Im Museum Küppersmühle ist Götz gern gesehener Gast, hier ist er in der Sammlung Ströher im zweiten Obergeschoss vertreten, er hat schon einmal ausgestellt und hier fand auch eine Ausstellung seiner Schüler statt. Er war 1958-1979 Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, zu seinen Studenten gehörten H.A. Schult, Gerhard Richter, Polke und Graubner, die international bekannt wurden. Es spricht für die liberale Lehre von Götz, dass seine Schüler ganz unterschiedliche Richtungen eingeschlagen und sich etwa auch dem Realismus zugewandt haben.
Die aktuelle Ausstellung von Götz setzt mit seinen figurativen Anfängen in den 40er Jahren ein, mit den geschwungen organischen Verläufen, die an Vögel erinnern und schon die malerische Bewegung in den Vordergrund stellen. 1952 malt er sein letztes Ölbild; im gleichen Jahr entdeckt er die Rakeltechnik, bei der er die Farben aus einem feuchten Grund aus Kleister und Gouache partiell wieder herausnimmt. Er schiebt, schichtet sie und erzeugt geradezu plastische Schwünge. Götz arbeitet in monumentalen Formaten, auf denen die Wirbel und Bögen ein rasantes Tempo beschreiben. Aber so abstrakt die Bilder sind und sich auf wenige, meist dunkle Farben und Handlungsverläufe beschränken, so schnell sie mit vollem Risiko „hingeworfen“ sind, so kontrolliert sind sie doch. Und sie basieren auf konkreten Bezügen und Stimmungen, etwa Nachrichtenmeldungen, Naturerfahrungen oder der Kunstgeschichte. Es sind die grau-braunen Bilder ab den späten 50er Jahren, die am eindrucksvollsten zwischen Raum und Fläche ausloten, aus dem Schwung heraus die Bildebenen kippen lassen und Effekte des Dreidimensionalen erzeugen, die uns selbst heute beeindrucken. Mit zunehmender Erfahrung erweitert Götz die Möglichkeiten, 1978 erarbeitet er seine bewegten abstrakten Malereien erstmals ohne Rakel; 1986 beginnt er seine „Giverny“-Serie, bei der er mit den Primärfarben stärker in die Buntfarbigkeit geht. Er bezieht sich mit dieser Serie auf die „Seerosenbilder“ von Monet.
Einiges fehlt in Duisburg: die Keramiken, auch die linearen Reliefs in Stahl und Holz ab 2000 und die Lichtzeichnungen bei Dunkelheit. Das malerische Spätwerk, bei dem Götz in der Farbigkeit nicht gut beraten ist, ist lediglich mit einem Bild belegt. Aber das Museum Küppersmühle arbeitet mit seiner Auswahl heraus, was das Wesen der Kunst von Götz ist – und was überhaupt die informelle Malerei kennzeichnet.
„K.O. Götz“ | bis 15.6. | MKM Museum Küppersmühle in Duisburg | 0203 30 19 48 10
Eine weitere Ausstellung mit K.O. Götz ist bis 17.8. im Museum Kunstpalast in Düsseldorf zu sehen.
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