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Raphael Sbrzesny, Installation „Geflüster aus der Interpretenkammer“, 2019 © Künstler
Foto: Katja Illner

Spuren von daheim

21. Oktober 2019

Karl Schmidt-Rottluff-Stipendiaten in der Kunsthalle Düsseldorf – kunst & gut 10/19

Der neueste Schrei hat Tradition. Bereits seit 1989 findet die Ausstellung der ausgezeichneten KünstlerInnen des Karl Schmidt-Rottluff-Stipendiums in der Kunsthalle Düsseldorf statt. Das Stipendium selbst wurde 1975 zum ersten Mal vergeben, und zu seinen Empfängern gehören Lothar Baumgarten, Katharina Sieverding oder Reinhard Mucha. Das unterstreicht die Bedeutung dieses Stipendiums, das in Kooperation mit der Studienstiftung des Deutschen Volkes durchgeführt wird. In der Kunsthalle stellen sich nun die zehn aktuellen Künstler vor, die, sämtlich geboren in den 1980er Jahren, in unterschiedlichen Medien arbeiten. Die Erkenntnis: Es wird noch gemalt, die Collage bleibt ein Thema, Maß der Installationen ist der Mensch, es gibt konventionelle Videos zu sehen und ein Hörstück zu hören. Computer- oder Netzkunst ist hier nicht vertreten, das mag mit der Zusammensetzung der Jury zusammenhängen.

Exponiert ist im sogenannten Kinosaal das skulpturale Arrangement von Raphael Sbrzesny. Attraktiv ist die Präsentation seiner Objekte und Fotoarbeiten auf einer Drehscheibe und an der Wand vor blauem Stoff. Aber dann erinnern die Konstruktionen, die auf den menschlichen Körper bezogen sind, ein wenig an Folterwerkzeuge. Sie dienen als Musikinstrumente. Vieles schwingt mit: der mittelalterliche Totentanz, die traditionellen Spielmannszüge, die „abstrakte“ E-Musik ebenso wie die Performance. Ein Monitor zeigt eine filmische Collage mit Sbrzesny in Fotos und Aktionen, dazwischen Aufnahmen von Masken oder vom Körper und deutlich wird, wie viel diese Kunst mit Selbsterfahrung und der eigenen Biographie zu tun hat, wie sehr sie ausgearbeitet ist und doch intuitiv bleibt.

Im Seitenlichtsaal gegenüber hat Henrike Naumann ein gutbürgerliches Wohnzimmer eingerichtet. Dazu lehnen und hängen Malereien an den Wänden, die von ihrem Großvater Karl Heinz Jakob stammen, der zu seiner Zeit ein in der DDR angesehener Maler war – das trifft sich insofern noch gut, als in fußläufiger Nähe im Kunstpalast derzeit Positionen der DDR-Malerei gezeigt werden. Jakob war beim Malen der ausgewählten Bilder im gleichen Alter wie seine Enkeltochter heute und musste sich in seinem kulturellen Umfeld ähnlich zurechtfinden wie diese jetzt. Inmitten von Milieu und geschichtlicher Atmosphäre thematisiert Henrike Naumann die Rolle des Künstlers in der Gesellschaft.

Empfangen aber wird man in der Kunsthalle unter der Treppe von einer Installation von Serena Ferrario. In einer Strandszene aus Holzdach und abgenutzten Plastikstühlen, Mengen kleiner Papierfiguren und Collagen sind Fotos und Filme auf einem Laptop und als Projektion an der Wand zu sehen, die Porträts und alltägliche Szenen zu verschiedenen Tageszeiten zeigen. Sie enthalten Hinweise auf ihre italienische und rumänische Herkunft und ihre eigene Migration. In ihrer Broschüre in der Katalogbox hat Ferrario an einer Stelle den Satz abgedruckt: Kampf um die Erinnerung. Das gilt für die meisten der zehn ausgestellten Künstler: Sie zeigen aus eigener Erfahrung, wie stark die gesellschaftliche Umgebung das Individuum prägt. Das macht die Integrität ihrer Werke aus. Spannende Sache!

Karl Schmidt-Rottluff Stipendium. Die Ausstellung 2019 | bis 10.11. | Kunsthalle Düsseldorf | 0211 899 62 43

Thomas Hirsch

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