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„Zeit der Kannibalen“
Foto: bs-films

Krieg in der Auster

27. Mai 2016

„Zeit der Kannibalen“ im Dortmunder Depot – Theater Ruhr 06/16

Unternehmensberater sind taffe Jungs, äh - und Mädels. Äh. Das heißt Unternehmensberaterinnen natürlich. Sie alle machen einen tollen Job irgendwo in der Welt, oder sonstwo – im Hotel. Mr. Singh (Sascha Zinflou) wird im Dortmunder Depottheater gerade darüber aufgeklärt, wie busy man im fuckin‘ Pakistan bereits am wirtschaftlichen Aufschwung arbeitet – gegen Indien versteht sich. Mit „first class human resources“ versteht sich. Krieg, Aufstände, fehlende Infrastruktur? No problem. Frank Öllers (Jens Dornheim) und Kai Niederländer (Dietmar Meinel) rocken für ihre Firma. Egal, was um sie herum passiert. Krieg, Aufstände, Mord und Totschlag, das findet doch alles vor dem Hotel statt. Hauptsache ist und bleibt: Die Klimaanlage funktioniert.



Das theater glassbooth hat sich dem eiskalten Turbokapitalismus verschrieben und zeigt mit „Zeit der Kannibalen“ (nach dem Film von 2014) seinem Publikum, wie der geht. Mal den farbigen Hotelpagen (Elikem Anigba) zusammentreten, das Zimmermädchen (Julie Dioum) verführen, nebenbei Milliarden umschichten, die dazugehörenden Arbeitsplätze gleich mit. Diesen grenzenlosen Zynismus – von dem wir natürlich alle profitieren – inszeniert Julie Stearns mit leichter Hand als Kammerspiel. Mit einer fast seriellen Choreografie, mehr Formalität als Personenführung. Die Hotels und Länder mögen wechseln, die mechanischen Abläufe des Hotelpersonals nicht. Starre Gesichter, doch im Dunklen tanzen sie – nach jedem Bettenwechsel.

Natürlich geht das nicht gut aus. Die Rollen werden körperlicher, insbesondere wenn Bianca März (Alexandra Schlösser) als Teamverstärkung auftaucht, sich aber als Konkurrentin entpuppt. Die Haifische riechen Blut im Becken. Stearns macht nun etwas Physical Theatre, man geht sich an die Wäsche, an die Gurgel, miteinander ins Bett. Ein Kollege stürzt sich daheim aus dem Fenster. Mehr Platz für alle. Der Kapitalismus soll die Welt zerstören, doch auf dem Weg dahin produziert er erst mal Zombies. „Ich liebe Powerpoint.“ Man wird endlich Partner der Company. Pech, die Guerilla stürmt das Hotel und die Company ist pleite. Ätsch.

„Zeit der Kannibalen“ | R: Julie Stearns | So 12.6. 18 Uhr | Theater im Depot, Dortmund | 0231 98 21 20

PETER ORTMANN

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