Ach du arme Luise.Wie schön wäre es doch gewesen, wenn da nicht eine Kabale dieses böse Gift verspritzt hätte. Ein Wurm zersetzt die makellose Liebe und so gehen beide gemeinsam auf die letzte Reise, hinterlassen Fassungslosigkeit und viel zu späte Reue. Friedrich Schillers Liebesepos mit politischen Bezügen zum Sturm und Drang ist also der Schulklassen-Renner der Saison. Am Theater Essen hat man ihn bereits seit dem letzten Jahr auf dem Spielplan, in Dortmund hatte „Kabale und Liebe“ gerade Premiere. In diesem Monat folgen dann noch das Theater an der Ruhr in Mülheim und das Bochumer Prinz Regent Theater.
Worum geht es eigentlich? Mit zunehmender Eigenverantwortlichkeit haben die Schulen in NRW größere Freiräume geschaffen, um Unterricht und Schule zu gestalten. Dabei sind sie verpflichtet, die bundesweit vorgegebenen Bildungsstandards sowie die (darauf basierenden) landesspezifischen, kompetenzorientierten Kernlehrpläne umzusetzen – und Rechenschaft darüber abzulegen, ob und in welchem Umfang es ihnen gelingt, diese Standards zu erfüllen. Unter anderem geschieht dies im Rahmen von Lernstandserhebungen bzw. Vergleichsarbeiten sowie von zentralen Prüfungen. Aha. Und warum immer nur die Klassiker? Iphigenie, Hiob, Kabale und so weiter? Warum nicht mal Werner Schwab, Elfriede Jelinek oder vielleicht sogar Herbert Achternbusch? Nächster O-Ton: „Das vorliegende Angebot bietet neben Dokumenten der Standardsetzung (Kernlehrpläne, Anforderungsprofile) Anregungen und Materialien zur Unterrichtsentwicklung sowie Informationen und Hinweise zu Verfahren der Standardüberprüfung (Lernstand, ZP10, Zentralabitur).“ Aha. Wahrscheinlich ist es so, dass die Damen und Herren Schul-Germanisten von manchen zeitgenössischen Autoren selbst noch nie etwas gehört haben. Bei meinen Kindern in der Schule ist es jedenfalls genauso gewesen. Schon gut. Ich nenne keinen Namen.
Also weiter geht’s mit Schillers tragischem Schulstück in fünf Akten: Ferdinand von Walter, Sohn eines einflussreichen Adligen bei Hofe, hat sich unsterblich in die Tochter des Stadtmusikanten verliebt. Diese Liebe stößt jedoch bei beiden Vätern auf Unverständnis. Von Walter lässt eine niederträchtige Intrige spinnen, die sogenannte Kabale, am Ende sind die Kinder tot. Für uns Zuschauer ist diese Häufung auf dem Spielplan eine wunderbare Gelegenheit, die unterschiedlichen Inszenierungen und auch ihren unterschiedlichen Umgang mit dem Stoff zu beobachten.
Der Regisseur und Choreograf Jo Fabian erzählt in seiner zweiten Arbeit am Theater an der Ruhr (Junges Theater) die Geschichte dieser Scheiternden beispielsweise mit den Mitteln seines hochmusikalischen Traumtheaters, ohne dabei Schiller untreu zu werden. Sybille Broll-Pape hat das Drama an ihrem Prinz Regent Theater gleich ziemlich eingedampft und vom pathetischen Ende hält sie dabei gar nichts.
„Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller:
R: Jo Fabian | 21.11. 19.30 Uhr/22.11. 18 Uhr | Theater an der Ruhr, Mülheim I 0208 599 01 88 | www.theater-an-der-ruhr.de
R: Sybille Proll-Pape | P: Do 15.11. 20 Uhr | Prinz Regent Theater, Bochum I 0234 77 11 17 | www.prinzregenttheater.de
R: Jean-Claude Berutti | 18.11. 18 Uhr/30.11. 19.30 Uhr | Theater Dortmund I 0231 502 72 22 | www.theaterdo.de
R: Martina Eitner-Acheampong | 2./15.11. 19.30 | Grillo-Theater Essen I 0201 812 22 00 | www.schauspiel-essen.de
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