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Helmut Kellershohn referierte über völkisches Denken damals und heute
Foto: Benjamin Trilling

Die ideologische Ursuppe der Identitären

31. Mai 2018

Helmut Kellershohns Vortrag „Von der Völkischen zur Identitären Bewegung“ im Bahnhof Langendreer – Spezial 05/18

Neu ist der Slogan nicht, den Götz Kubitschek ausposaunte: „Deutschland ist das Land der Deutschen“. Ein Imperativ, mit dem der Verleger aus der neurechten Szene dazu aufrief, das angebliche eigene Land gegen migrantische Invasoren zu verteidigen. Eine vermeintliche Provokation, die oft aufgeht: Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, AnhängerInnenschaft unter denen, die auf rassistische Hetze hereinfallen. Neu ist es trotzdem nicht. Doch woraus speist sich diese Sammelbewegung der Neuen Rechten, die von Kubitscheks Antaios-Verlag, über den völkischen Höcke-Flügel der AfD bis hin zur Identitären Bewegung reicht?

Helmut Kellershohn forscht unter anderem seit 1987 in dem von ihm mitgegründeten und unabhängigen Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) zu Themen wie Rechtsextremismus, Konservativismus und völkischer Nationalismus. Im Bahnhof Langendreer stellte der Historiker die Wurzeln und Etappen der völkischen Sammelbewegung dar, die über die Konservative Revolution und den deutschen Faschismus in angepasster Form auch heute wieder am rechten Rand auftauchen, als ideologische Ursuppe der Identitären und Rechtspopulisten.

So verglich Kellershohn gleich eingangs das erwähnte Kubitschek-Zitat mit einem von Julius Langbehn. „Deutschland für die Deutschen“, forderte der Nationalist einst. Das war im Jahr 1890, als die völkische Bewegung Fahrt aufnahm. Trotz verschiedenster Strömungen kristallisierte sich ein zentraler Begriff heraus: der des Volkes. Im Gegensatz zu den liberalen und auch sozialistischen Definitionen (worin sich der mittelständische Charakter der völkischen Bewegung ausdrücke), wurde dieser Begriff als Abstammungslehre propagiert, wie Kellersohn erklärt: „eine Überhöhung des Volks zu einem überzeitlichen Kollektiv-Subjekt, dem die Individuen und Klassen untergeordnet sind“.

Wenig überraschend bildeten sich bereits neben dem eigenen Identitäts- ein Feindbegriff heraus: Die Rassenlehren von Gobineau oder von Wagners Schwiegersohn Chamberlain wurden innerhalb der völkischen Bewegungen rezipiert und verbreitet. „Es gibt einen Übergang von einem christlichen Antijudaismus zu einem biologischen Antisemitismus“, sagt Kellershohn.

Der Diskurs, den diese Vorfahren von Höcke und Co. prägten, habe auch verheerenden Einfluss nach der Jahrhundertwende gehabt, so Kellershohn: „Die völkische Bewegung hat einen bedeutenden Anteil an der Formierung des Nationalismus im Vorfeld des Ersten Weltkriegs“. Trotz des Aufschwungs gelang es den Völkischen jedoch nie, sich als Massenbasis aufzustellen.

Das änderte sich mit Hitlers NSDAP ab den 1920er-Jahren, ein Todesstoß für die bis dahin breit gefächerten Strömungen: „Für die Machtergreifung war die Partei zentral“. Die völkische Bewegung wurde in die NS-Herrschaft integriert oder führte ein Nischendasein.

Doch in den letzten Jahren erfährt nicht nur der Volksbegriff unter rechten Ideologen eine Renaissance. Auch Parolen der einstigen Völkischen werden aufpoliert. Nicht nur vom Höcke-Flügel. So greift der rechte Publizist Renaud Camus die alte Rede von der „Umvolkung“ auf. Sein Buch „Revolte gegen den großen Austausch“ gilt als eine Art Manifest der sogenannten „Identitären Bewegung“, das vor allem in Frankreich und Österreich Aufmerksamkeit erhielt. Anstelle des Volks rückte zwar ein Kulturbegriff, doch die Motive des Ethnopluralismus seien am Ende die gleichen: „Menschen, die nicht zu diesem Volk gehören, sollen entfernt werden“, warnt Kellershohn.

Benjamin Trilling

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