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Die Chöre
Foto: Birgit Hupfeld

Hundertfach wortlos

25. Juni 2015

Kaspar Hauser in Dortmund – Theater Ruhr 07/15

Tulpen und Narzissen sagen Nein zu Kaspar Hauser. Kann das einen Theaterabend tragen? Ja. Immer dann, wenn Theater nicht nur als vor oder dahinter begriffen wird oder als Auf- und Abgang einzelner Protagonisten. Bei „Kaspar Hauser oder Die Sprachlosen aus Devil County“ wird im Dortmunder Studio der Auf- und Abgang zelebriert, als Szenenteiler-Performance, als Aufmarsch der Gerechten aus dem Städtchen, aber auch als Tribunal über die Zuschauer, die eigentlichen Sprachlosen Luftballons. Und so marschieren sie hinein ins kleine Studio, ein scheinbar endloser Strom ernst dreinblickender Menschen, dazu ein kleines Rinnsal kleiner Menschen. Zusammen sind sie der Dortmunder Sprechchor und Kindersprechchor. Und sie bauen sich auf vor den paar da vor ihnen und schleudern ihnen die Worte ins Gesicht. Erzählen von dem Sommertag 1828 als er plötzlich da stand auf einem Marktplatz in Nürnberg. Kaspar Hauser, 17 Jahre alt, sprachlos und ohne Bewusstsein vom Wesen dieser Welt.

Er wurde zum einem zeitlosen Rätsel, das ihn zwar das Leben kostete, ihn aber auch zum zeitlosen Star machte. Und in der Inszenierung von Alexander Kerlin und Thorsten Bihegue, die den Monster-Chor auch als 17. Ensemblemitglied 2011 ins Leben riefen, hat er durchgehend diesen Zettel in der Hand, auf dem stand, er möchte ein Reiter werden, wie sein Vater es gewesen. Diesen Part übernehmen die 14 Kinder grandios, obwohl es bei den beiden regieführenden Dramaturgen eher recht ordentlich um Sprache, Blumen und die Neue Deutsche Welle geht. Dass Hauser damals auch genauso gut Fred vom Jupiter hätte heißen können, ist eine lustige Idee – und ein gewisser Andreas Dorau liefert dem Chor zahlreiche musikalische Anekdoten, wie auch Nena oder der gemeine Volksmund. Ach ja, und natürlich Peter Handke, dessen Sprachclownerien in „Des Kaspars neue Kleider“ wohl auch seinen Anteil an der Gesamtperformance hatten. Nun, die Sprachlosen aus Devil County hatten ihre gute Stunde Spaß, Tommy Finke, der neue musikalische Direktor des Schauspiels sicher auch, und so versank der historische Kaspar Hauser am Schluss in den 99 Luftballons von Nena.

„Kaspar Hauser oder Die Sprachlosen aus Devil County“ | R: T. Bihegue, A. Kerlin | WA im September | Studio Dortmund | 0231 502 72 22

PETER ORTMANN

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