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Josef K., hilflos angesichts der Bürokratie
Foto: Birgit Hupfeld

Aus der Bank auf die Bank

27. März 2014

Kafkas „Der Prozess“ im Dortmunder Studio – Theater Ruhr 04/14

Schon die Eingangsmusik klingt wie ein Hohn. „Stayin‘ alive“ von den Bee Gees. Josef K. (Björn Gabriel) kommt beschwingt nach Hause. Ihn erwarten zwei groteske Herren (Andreas Beck und Uwe Rohbeck), die ihn verhaften, oder auch nicht. Jedenfalls plündern sie erst einmal seine Sachen. Der Hausherr ist amüsiert, furchtlos, und bemüht seine Sachen in Sicherheit zu bringen. Noch herrscht Vertrauen in die Justiz. Doch das wird sich ändern, auch in Carlos Manuels Inszenierung im Dortmunder Studio. Der brasilianische Regisseur treibt gemeinsam mit Thorsten Bihegue in der Bearbeitung das kafkaeske minutiös ins Surreale. „Jemand musste Josef K. verleumdet haben.“ So beginnt das Kafka-Fragment, aber so wichtig ist es nicht mehr. Gut das da „nach dem gleichnamigen Roman von Franz Kafka“ steht. Die Personen verlieren vorsätzlich ihre Substanz, ihre Zuordnung, Auf- und Abgang werden zelebriert, immer neue Bilder und Charaktere übervölkern die Bühne, dazwischen Josef K., der Banker, hilflos dem Treiben ausgeliefert. Halbe Flakscheinwerfer treiben die intellektuelle Düsternis aus diesem Stück. Ja, es kam Krieg vor hundert Jahren, ja, die Mühlen der Justiz mahlen zuweilen ziemlich blutig. Sektchen?

Einhundert Minuten atemlose Hatz nach dem Delinquenten machen eben auch Durst und auch den Akteuren sichtlich Vergnügen. Alle laufen zu Höchstform auf beim Wechsel der Persönlichkeiten –und die Häute müssen sie schnell wechseln. Kam Merle Wasmuth gerade noch aus der Gosse, schlüpft sie nun in den Catsuit für ihren Maler, während der Aufseher Sebastian Graf die Uniform in eine Studentenkluft verwandelt, kommt Uwe Rohbeck mit der Bischofskutte wieder. Alle buhlen um ein Gericht, das eigentlich gar nicht existiert, alle haben Dreck am Stecken und lassen sich auf Deals mit der Wahrnehmung des Systems ein. Der Banker Josef K. versinkt im Verfahren, erstickt verbal im üblen Spiel. Er wird erstochen ohne verurteilt worden zu sein. Schöne Augen blicken derweil starr von den plakatierten Wänden. Feinrippunterwäsche, etwas Sex, schöne Frauen, wilde Tiere. Und manchmal ein paar Replikanten. Was könnt es schöneres geben. Sektchen?

„Der Prozess“ | R: Carlos Manuel | Fr 11.4. 20 Uhr | Studio Dortmund |0231 502 72 22

PETER ORTMANN

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