Es gibt keine Künstliche Intelligenz. Die einzigen Lebensformen auf dem Planeten sind wohl die Kohlenstoff-Einheiten, die es geschafft haben, hochentwickelte technische Rechenapparaturen so weit zu modifizieren, dass sie den einfachen Menschen vorgaukeln irgendwie schlau zu sein. Spätestens seit HAL 9000 schienen die sogar bedrohlich zu werden, Hollywood macht damit massig Kasse. Im Dortmunder U zeigt der Hartware MedienKunstVerein (HMKV) zum Thema eine grandiose Ausstellung, nach deren Besuch ich meiner alten Schach-Spielkonsole auch keine künstliche Intelligenz mehr unterstelle – ich scheine doch zu schlecht zu sein.
Das „House of Mirrors“ zeigt 20 Arbeiten internationaler Künstler, die Künstliche Intelligenz (KI) als Phantasma entlarven und da geht es nicht um Geister oder freie Radikale in den Maschinen. Es geht nur um das Erkennen eines Musters in einer definierten Menge an Information. Das geht häufiger schief als man denkt. Da werden Lampen zu Schlangen oder Stühle zu Toiletten (Simone C Niquille: „Sorting Song“, 2021). Viel schlimmer ist, dass das Ausmerzen solcher Fehler nur durch Ausbeutung mit Pennystock-Workers gelingt, denn diese Maschinen sind nur so gut wie die Menschen, die sie trainieren.Die italienische Künstlerin Elisa Giardina Papa zeigt in Videoinstallation „Cleaning Emotional Data“ (2019), wie Mikroarbeiter dies für Centbeträge ausführen. Die Löcher und Leerstellen in jedem Algorithmus machen ihn gefährlich, denn es geht nicht nur um Alexa, die durch Fehler zum Nazi wird, es geht auch um fehlerhafte Krankheits-Diagnosen, wenn man der Maschine ohne Kontrolle letzte Entscheidungskompetenz zugesteht, denn was die KI reflektiert, zeigt das Spiegelkabinett im Dortmunder U. Der Algorithmus täuscht die Menschen, um sein Ziel zu erreichen.
Die Ausstellungsarchitektur ist außergewöhnlich, die Installationen sind zum Teil eigene Kunstwerke und der Rundgang, und das ist mir ganz wichtig, ist nicht nur für Technikfreaks. Da gibt es auch Jake Elwes wunderbare „The Zizi Show“ (2020) und das experimentelle Online Forschungsprojekt „Normalizi.ng“ (2020) von Mushon Zer-Aviv. Man kann sich auch fotografieren lassen, wer aber wissen will, wie heute Hologramme gemacht werden, der sollte bei „The Master Algorithm“ von Zheng Mahler auf seine Finger aufpassen!
House of Mirrors: Künstliche Intelligenz als Phantasma | bis 31.7. | HMKV im Dortmunder U | 0231 13 73 21 55
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Was uns die Algen singen
Stolzer & Rütten im Dortmunder U – Ruhrkunst 05/23
„Bakterien passen sich schneller an neue Umgebungssitationen an“
Kuratorin Inke Arns über die neue Ausstellung des HMKV im Dortmunder U – Sammlung 03/23
Transformation der Moderne
„Technoschamanismus“ im Dortmunder U – Kunstwandel 12/21
Manchmal mussten die IMs selber ran
„Artists & Agents“ im Dortmunder HMKV – Kunstwandel 02/20
HAL 9000 ist eigentlich weiblich
Wilde „Computer Grrrls“ im Dortmunder HMKV – Kunstwandel 02/19
„Die Digitalisierung verstärkt die Vorurteile“
Inke Arns über ihre Ausstellung „Computer Grrrls“ im HMKV – Sammlung 11/18
Geheime Überwachung
Korpys/Löffler im HMKV in Dortmund – Ruhrkunst 08/18
Glaube verwässert Wissen
Forensik von Bildern im Dortmunder U – Kunstwandel 03/18
Von der afrikanischen Moderne
„Afro-Tech and the Future of Re-Invention“ im HMKV – Kunstwandel 12/17
Nie wieder Alkali-Kieselsäure-Reaktion
Wichtige Wertschätzung des Beton-Brutalismus im Dortmunder HMKV – Kunstwandel 05/17
Dunkle Ahnungen
„Die Welt ohne uns“ im Dortmunder U – Ruhrkunst 12/16
Widerstand ist zwecklos
Hito Steyerls „Factory of the Sun“ im Dortmunder U – Ruhrkunst 07/16
„Horror ist ein Werkzeug, um gegen bestimmte Normen zu agieren“
Kuratorin Westrey Page über „Tod und Teufel“ im Kunstpalast Düsseldorf – Sammlung 10/23
Im Herzen des Bunkers
Marianne Berenhaut in Recklinghausen – Ruhrkunst 09/23
Zur Liebe
„love/love“im Künstlerhaus Dortmund – Ruhrkunst 09/23
Auf Zeitreise
„Ein Blick zurück“ im Lehmbruck Museum in Duisburg – Ruhrkunst 09/23
Kunstgeschichte im Zeitraffer
Ein „Remix“ der Sammlung im MKK – kunst & gut 09/23
„Man spürt die Töne auch als Vibrationen“
Museumsdirektor Georg Elben über Camille Norments „Glass Sound Pavilion“ in Marl – Sammlung 09/23
Wege der Landschaftsdarstellung
Sven Drühl in Oberhausen – Kunst 08/23
Futter fürs Bildgedächtnis
Pixelprojekt-Neuaufnahmen in Gelsenkirchen – Ruhrkunst 08/23
Roboter und roten Laser
„Touch the Light“ in Unna – Kunstwandel 08/23
Die Essenz von allem
Katsuhito Nishikawa im Museum DKM in Duisburg – kunst & gut 08/23
Subversive Geister
Nils Alix-Tabeling in Dortmund – Ruhrkunst 08/23
Worin wir verbunden sind
Feministische Kunst in Düsseldorf – Kunst 07/23
Digital natürlich
New Now Festival auf Kokerei Zollverein – Ruhrkunst 07/23