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Rosa Yassin Hassan liest aus "Wächter der Lüfte".
Foto: Lisa Mertens

Geschichten über Geschichte

18. Februar 2013

Lesung von Rosa Yassin Hassin im Bahnhof Langendreer

Bochum, 14.02. - Wer hier über die Situation in Syrien sprechen möchte, muss sich hauptsächlich auf die Berichterstattung der Medien verlassen. Doch was, wenn die Medienhoheit bei denen liegt, die ihr Volk unterdrücken und bekämpfen? Dies ist in der Diktatur Assads des Fall. Eine andere Realität als die das Regime propagiert, öffentlich zu machen, ist das Anliegen der Aktivisten in Syrien. Jugendliche filmten anfangs mit ihren Handykameras, später wurden sie durch Hilfe aus dem Ausland professioneller. Rosa Yassin Hassan schlägt einen anderen Weg ein: sie schreibt Romane. Mit Geschichten übt sie Kritik und legt Wahrheiten offen. Ihre Geschichten über Menschen und ihre Lebenswelten eckten in Syrien an und wurden zensiert. Illegal finden sie dennoch ihren Weg zu den syrischen Lesern. In Deutschalnd sind ihre Romane „Ebenholz“ und „Wächter der Lüfte“ in deutscher Übersetzung erhältlich sowie bereits ausgezeichnet. Seit 2012 lebt Rosa Yassin Hassan und schreibt weiter, um auf die Lage in Syrien aufmerksam zu machen.

Im Bahnhof Langendreer las sie Ausschnitte aus ihrem Buch „Wächter der Lüfte“ vor und diskutierte anschließend mit dem teilweise selbst aus Syrien stammendem Publikum. Die arabische Version der Geschichten über Angehörige politisch Inhaftierter verstanden zwar nur wenige, doch den arabischen Wortlaut zu hören, schade nicht, wie die Dolmetscherin Larissa Bender meinte. Auf Deutsch vernahm das Publikum tiefe Emotionen, intime Gedankengänge, detaillierte Szenerien. „Wächter der Lüfte“ ist vornehmlich ein Roman, der die Menschen in ihrer Vielfalt darstellen soll. Wie bei ihren anderen Büchern geht es Rosa Yassin Hassan aber auch darum, das Gedächtnis an Geschehnisse aufrecht zu erhalten. Die offizielle Geschichte in Syrien sei mit Lügen gespickt. Viele Syrer, sowohl Mehr- als auch Minderheiten, würden die Geschichte des gesamten syrischen Volkes nicht kennen. Stattdessen würden bereits Schulkinder trainiert, Assad als ihren Übervater anzusehen, bis es zu ihrer Realität wird. Während des Bürgerkriegs setze Assad darauf, die eine Minderheit zu überzeugen, dass die Angehörigen andere Minderheit Terroristen seien. Mit Erfolg. Doch die entfachte Revolution sei kein Krieg zwischen Sunniten und Alawiten, sondern ein Kampf von Aktivisten gegen das Regime. Rosa Yassin Hassan sieht, dass das syrische Volk einen zunehmenden Drang nach Freiheit verspüre. Bejubelten Schulkinder früher noch aus Angst vor Prügel den Präsidenten, rebellieren sie nun offen. Allerdings bestehe neben dem Freiheitsdrang auch Angst angesichts der steigenden Zahl der Toten.

Die Situation in Syrien verschärfe sich, so Hassan. Jeder habe Angehörige verloren, einige seien wohnungslos, ohne Strom, leiden Hunger. Bedauerlich findet sie es, dass die deutsche Regierung sich nicht politisch hinter die Aktivisten stellen würde, sich stattdessen von Assad die Angst vor religiösen Fanatikern einreden lasse. Betroffene aus dem Publikum bestätigten, dass der Syrische Bürgerkrieg keine religiöse Revolution sei, sondern die Freiheit zum Ziel habe und eine gesunde Demokratie die Hoffnung für Syrien darstelle. Momentan jedoch sterbe das syrische Volk durch alle Bevölkerungsgruppen hindurch.

LISA MERTENS

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