Die Gesellschaft ändert sich, die postindustrielle Welt befindet sich im Umbruch. Neue Industrien, neue Denkmuster sind gefordert. Zukunftsforschung hat nicht nur etwas mit Demografie zu tun, sondern auch mit dem gegenwärtigen Leben aller, denn schon heute müssen die Parameter erarbeitet werden, die eine Zukunft überhaupt möglich machen. In der Strukturwandelstadt Dortmund wird derzeit die Tête de la mouvance zu einem Festival komprimiert, das sich didaktisch im U auf zwei Ebenen ausbreitet. Das NEW INDUSTRIES FESTIVAL fragt dabei, wie wir zu dem wurden, was wir sind, und welche Industrien uns heute prägen: Was passiert mit Menschen und Landschaften im Prozess der (De-)Industrialisierung? Wie vertragen sich Industriekultur und Kulturindustrie? Welche neuen Formen von Industrie hat der wirtschaftliche Wandel hervorgebracht? Und wie schreibt sich die „Gewalt der Industriegesellschaft“ (Max Horkheimer/Theodor W. Adorno) in diesen „neuen Industrien“bis heute fort?
Kuratiert von Inke Arns, Thibaut de Ruyter und Fabian Saavedra-Lara ist es keine Ausstellung im herkömmlichen Sinn, eher ein internationales Laboratorium voller Möglichkeiten, sich mit den Gesetzmäßigkeiten des permanenten Wandels auseinanderzusetzen, Vision zu erleben und Grundlagen zu erforschen. Historisch spannt der Hartware MedienKunstVerein (HMKV) dabei vier Monate lang mit Ausstellungen, Installationen, Konferenzen, Workshops, Filmprogrammen und Performances einen Bogen vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Viermal am Tag ist in der dritten Ebene der Dokumentarfilm „Work hard – play hard“ (D 2011, 90 Min.) der Regisseurin Carmen Losmann zu sehen. Darin unternimmt sie eine Reise durch die postindustriellen Werkstätten der Wissens- und Dienstleistungsarbeit, die lange als unsere Arbeitswelten von morgen galten und doch schon längst im Heute angekommen sind.
Der Film beginnt mit nachgestellten Beratungen von Behnisch Architekten und Beratern des Quickborner Teams zum Neubau der „Unilever“-Zentrale in Hamburg und ist vollständig kommentarlos mit Originaltönen unterlegt. Nur manchmal sind bedrohliche Klänge zu hören, die dann das Sujet untermalen, wie allumfassend der Neoliberalismus die Arbeitswelt im Griff hat. Aber man braucht eben Zeit für ihn, wie für die gesamte Projektstruktur, auch für die hochinteressante Forschungsebene 6 mit dem 22 Meter langen Tisch, auf dem mehr als 80 Bücher, 30 Schallplatten, 15 Videos und viele Objekte zum „Begreifen“ liegen.
Haptisch eingängiger ist da schon die Rauminstallation „Zugunsten einer Gesellschaft von morgen, für die wir heute schon bauen“ von Axel Braun im Zentrum der Ebene 3.Er begibt sich dort auf eine Spurensuche nach der Geschichte einer einst heiß umstrittenen Bank und ihrer Verwobenheit mit den globalen Finanzmärkten. Zu sehen sind Nachbauten und originale Bauteile der ehemaligen Dortmunder WestLB-Niederlassung, dem futuristischen Bau des Architekten Harald Deilmann. Spannend ist auch die ähnlich gelagerte Urban-Think-Tank-Dokumentation (Ausdrucke, Fotos, Video, 13 Min., 2012-2013)des Verfalls des WolkenkratzersTorre David („Davids Turm“) in Caracas in Venezuela. Eigentlich sollte er Sitz einer Großbank werden, wurde nach der Finanzkrise aber im Rohbau stehen gelassen und ist seit 2007 von über 750 Familien aus den Armenvierteln besetzt, die sich dort wirtschaftlich neu organisiert haben.
„New Industries Festival“ I bis 2.3.I HMKV, Dortmunder U I 0231 496 64 20
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