Ein goldenes Raumschiff ist im Ruhrgebiet gelandet. Man hat es im Dortmunder U geparkt. Innen sieht man neun flache Bildschirme, außen glänzende Folie. Eyecatcher aber ist die grüne Roboterhand im Steuerstand. Ein ganz klein bisschen erinnert es an den Kubus 461 der Borg, aber es stammt aus Afrika, von einem Kontinent also, der für technische Interventionen eigentlich seit dem Niedergang des alten Ägypten nicht mehr so recht steht. Doch die Ausstellung „Afro-Tech and the Future of Re-Invention“ des Hartware MedienKunstVerein gleich neben den Landekoordinaten des Kubus zeigt, dass es nur einer klitzekleinen Veränderung des westlichen Blickwinkels bedarf, um diese Analyse erst einmal kulturtechnisch zu widerlegen.
Denn der avantgardistisch-futuristische Begriff „Afronaut“ geistert bereits seit den 1970er Jahren über den zumindest musikalischen Planeten. Der des Afro-Futurismus brauchte 20 Jahre länger, bevor er in der Welt war. Er bezeichnet innovative afrikanische Kunst und Literatur in der internationalen Science-Fiction. Denn der Afro-Futurismus findet nicht nur auf dem schwarzen Kontinent statt. 32 internationale künstlerische Projekte aus 22 Ländern sind zu sehen, für die man etwas mehr Zeit als üblich mitbringen sollte. Denn ganz so schnell erschließen sich die spekulativen Zukunftsvorstellungen und aktuellen Entwicklungen im Bereich digitaler Technologien nicht, der Tanz um den Kubus wird dafür aber auch nie langweilig: Die vorgestellten Projekte gelten doch auch als Beweis für eine alternative Erzählung einer technologischen Entwicklung, die als Nährboden einmal nicht die westlichen Doktrinen hat und konsequent andere Parameter bedient. So entstünde eine technologische Zukunft, die jenseits davon liegt. Eine Utopie? Natürlich auch, aber wer die Ausstellung gesehen hat, weiß, es ist keineswegs eine Dystopie.
Denken wir noch einmal an die grüne Robothand im Borg-Kubus. Sie ist Teil der zwölf „Tech-Projekte“: Eigentlich heißt sie „Robohand“ und kommt aus Südafrika. Die Geschichte: Als der Schreiner Richard van As vier Finger der rechten Hand verlor, konnte er sich eine medizinische Prothese nicht leisten. Er fand den Maschinenkünstler Iwan Owen, mit dem er einen ersten mechanischen Finger entwickelte. Inzwischen haben die beiden eine Firma, die günstig Prothesen für alle Extremitäten herstellt. Was hat das mit Futurismus zu tun, werden sie denken. Tja, alle Designs sind Open Source und können zum Selbstkostenpreis überall auf der Welt von 3D-Druckern hergestellt werden. Africa first, oder wäre diese Kurzgeschichte in USA oder Europa möglich gewesen?
Aber eine Dystopie habe ich doch gefunden. Die „Ebola Virus Missile Industrie“ (120x150cm, Buntstift und Kugelschreiber auf Papier, 2017) ist eine böse illegale Waffenfabrik. „Don‘t touch“ hat Abu Bakarr Mansaray aus Sierra Leone extra draufgekritzelt. Der Künstler beschäftigt sich mit praktischer Wissenschaft und traditionellem afrikanischem Handwerk gleichermaßen und zeichnet großformatige böse Welten, die von Skeletten auf Flugmaschinen und allerlei Merkwürdigkeiten regiert werden. Die technische Detailgenauigkeit ist ein Hingucker in der absolut sehenswerten Ausstellung.
Afro-Tech and the Future of Re-Invention | bis 22.4.18 | HMKV im Dortmunder U | www.hmkv.de
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