Der österreichische Film und Fernsehstar Friedrich von Thun (70) ist auf Theaterreise in Marl. Hier liest er Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ zwar gerafft aber mit improvisierter Livemusik.
Friedrich von Thun (70) ist der Sohn von Ernst Thun-Hohenstein (geboren als Graf von Thun und Hohenstein) und seiner Frau Marie Therese (* 1911 als Freiin Wiedersperger von Wiedersperg geboren). Er studierte in München Germanistik und Theaterwissenschaften und nahm privaten Schauspielunterricht. 1962 sprach er bei Axel von Ambesser vor. Dieser gab ihm erste kleine Filmrollen. Inzwischen hat Friedrich von Thun in über 100 Fernseh- und Kinoproduktionen mitgewirkt. Er erhielt den Steiger Award (2006), den Auslandsösterreicher des Jahres (2006) und 2007 den Bayerischer Fernsehpreis in der Kategorie „Fernsehfilme“ für „Helen, Fred und Ted".
Nach so vielen Fernsehfilmen und -Serien, zieht es da einen Schauspieler zwangsläufig auf die hölzerne Theaterbühne?
Friedrich von Thun: Ich habe sehr lange nicht mehr Theater gespielt und habe die Lesungen so als kleinen Ersatz für mich gefunden. So als Fuß in der Tür um direkten Kontakt mit dem Publikum zu halten. Wenn man als Schauspieler so einsam vor der Kamera steht, und dann natürlich diesen direkten Kontakt mit dem Publikum vermisst. Deshalb freue ich mich auch auf meine Lesungen, weil ich da das Gefühle wieder bekomme, jetzt wird’s leise, jetzt wird’s spannend, das Licht geht aus. Das ist ein sehr schönes Geben und Nehmen.
Warum gerade in Marl „Der alte Mann und das Meer“, so alt sind Sie doch noch gar nicht?
(lacht). Ich lese ja nicht meine eigene Geschichte. Das Stück spielt ja an der kubanischen Südküste. Warum „Der alte Mann und das Meer“, das müsste sich mal das Marler Kulturbüro fragen, ich habe ja noch andere Dinge im Köcher. Aber das ist natürlich meine neueste Lesung, die ich auf eine ganz besondere Art präsentiere. Mit Musik, mit einem Pianisten, der live dazu spielt und zwar improvisierte Musik, das ist eine aufregende Sache. Mir ist das so gegangen, als ich das Stück gelesen habe und da so eine Stimmung entdeckte, so etwas wie Blues oder Spirituals gehört und auch Kuba gespürt habe. Da habe ich mir dann gedacht, dass man so etwas auch musikalisch mal darstellen kann. Nicht so als Solonummer, sondern eher als Gefühlsergänzung, sagen wir mal in Anführungszeichen. Also eine Musik, die nicht nur coloriert, sondern auch ausdrückt. Ich bin gespannt, wie das Publikum in Marl reagieren wird.
Sie spielen selbst Saxophon. Nehmen Sie auch Einfluss auf die Stücke in ihren Programmen?
Ja natürlich. Schwer Einfluss. Bei aller Improvisation, da gibt es natürlich eine Dramaturgie. Der spielt da jetzt nicht drauflos, rauf und runter und ich versuche ihn mit dem Text zu übertrumpfen oder umgekehrt. Da ist natürlich genau vereinbart, an welcher Stelle welche Musik kommt und wie lange. Das Stück ist ja sehr viel länger als meine geraffte Auswahl, aber das kann ich dem Publikum ja nicht zumuten. Meine geraffte Version ist aber spannend, dennoch musste man die dramaturgischen Punkte finden, wo die Musik zur Geltung kommt und ich denke das ist mir gelungen.
Horst Janson ist ja auch gerade mit dem alten Mann und dem Meer auf Tournee in Essen.
Das wusste ich gar nicht.
Sie sind ja beispielweise auch noch mit einer Lesung von Novecento unterwegs. Was macht die Schauspielerei in kleinen Theatern anders?
Der Schritt auf die Bühne ist ja unabhängig davon, wie groß ein Theater ist. Ich hab keine Ahnung, wie groß oder klein beispielsweise das Haus in Marl ist. Ich versuche das Publikum immer mitzunehmen bei dem, was mich gerade begeistert.
Wie wird man eigentlich Auslandsösterreicher des Jahres?
(lacht) Sie stellen mir Fragen. Das ist eine Auszeichnung, die mich sehr freut. Warum, das müssen Sie die Jury fragen. Ich habe viele Dokumentationen gemacht über Österreicher im Ausland. Rund 45 Stück, die mit großem Erfolg zur Primetime in Österreich gelaufen sind. Ich habe die produziert und Regie gemacht, ich denke dafür war der Preis.
Elfriede Jelinek, die wie Sie ja auch in München wohnt, hat ihn nie gekriegt.
Ich weiß nicht, warum das so ist, aber wahrscheinlich hätte Frau Jelinek den auch gar nicht angenommen, weil sie für solche Dinge nichts übrig hat.
Zu ihrem 70. Geburtstag im Juni konnte sich kaum eine Zeitung den Hinweis auf die drei Schulmädchen Reports in den der 1970ern verkneifen. Nervt das?
Das nervt. Aber was soll man machen. Am liebsten würde man es wie einen Leberfleck wegoperieren. Ich muss mir da nichts vorwerfen. Ich geh da in den Filmen nur durch die Stadt und interviewe Menschen. Aber die Journalisten freut es eben heute immer noch.
Gibt es jetzt weitere neue Theaterstücke?
Nein. Ich habe gerade den Fernsehfilm „Die Himmelsstürmer" (AT, 2012) gemacht mit Günther Maria Halmer und der Jule Ronstedt. Der ist gestern fertig geworden. Jetzt stürze ich mich in die Lesungen. Ich lese jetzt erst „Tod in Venedig“ in München am Prinz Regent Theater, dann kommen noch die Weihnachtslesungen, und im nächsten Jahr fange ich wieder zu drehen an, ganz so wie es der Alltag eines Schauspielers verlangt.
„Der alte Mann und das Meer“ | Sa 3.11., um 20 Uhr | Theater Marl | Am Theater 1, Marl | www.marl.de/theater
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