Simon Heußen weilte gerade im Urlaub. Sein Mobiltelefon schaltete der Leiter der Bochumer Berufsfeuerwehr in diesen Tagen natürlich aus. Als er dann doch einmal kurz aufs Handy schaute, waren etliche Anrufe eingegangen. Die Kollegen brauchten jede helfende Hand. Denn Zuhause, im Ruhrgebiet, herrschte Chaos. Es war der 9. Juni 2014, ein sonniges Pfingstwochenende – bis eine Gewitterfront eines Tiefdruckgebiets durch weite Teile NRWs fegte. Die Folgen der Sturmböen, des Regens und Hagels waren verheerend: Sechs Menschen starben, 30 Bürger*innen wurden schwer, 37 leicht verletzt.
Ela, wie die Meteorologen das Tiefdruckgebiet tauften, gilt seitdem als Chiffre für die plötzlichen Unwetterturbulenzen, die sich an tropischen Sommertagen in den Ballungsgebieten entladen. Der Klimawandel, der sonst so abstrakt erscheint, hat konkrete Folgen. Vor Ort kann kein Einwohner den Klimakollaps leugnen, während Behörden darum ringen, den Schaden und die Konsequenzen so gering wie möglich zu halten.
Darüber sprachen Simon Heußen und Marko Siekmann, Leiter der Stadtwässerung Bochum, mit den Gästen im Theater Rottstr5. Der Abend war der Auftakt der Bochumer Klimawoche, veranstaltet von Recherchekollektiv correctiv, bei noch bis zum 7. November Politiker*innen, Wissenschaftler*innen oder Aktivist*innen von Fridays for Future debattieren werden.
Als Leiter der Bochumer Berufsfeuerwehr spürt auch Simon Heußen die Folgen im Alltag: „Gerade in den Sommerwochen nehmen diese Extremwettereignisse in der Taktung und Heftigkeit zu. Die Menschen wissen, dass es kein Zufall ist.“ Alleine im Stadtteil Langendreer sei er bereits sechs mal herausgerückt, um Keller leer zu pumpen. Daran müssten sich die Bürger*innen gewöhnen. Anderseits gehe es auch darum, die städtische Infrastruktur anzupassen, so Marko Siekmann: „Es geht nur noch darum, das irgendwie zu beherrschen.“ Anpassungsmaßnahmen würden aktuell bereits ergriffen, darunter zählen etwa zusätzliche Wasserwege, die vorher mit einer Software simuliert werden können. Mittelfristiges Ziel: Extremerniederschlag soll keine Großeinsätze mehr nach sich ziehen, so Siekmann: „Wenn Wasser die Straßen herunter läuft, soll keiner die Feuerwehr anrufen müssen.“ Aktuell werde dafür eine Starkregenkarte genutzt: „Wir schauen nach den Spots, wo wir Gefahren haben.“
Prognostizieren lässt sich jedoch nicht alles. Vergangenen Sommer rissen „orkanartige Böen“ in Bochum-Ehrendfeld einen Baum um, wie Simon Heußen an diesem Abend berichtet: „Manche Ereignisse kommen völlig unerwartet. Das sind Phänomene, vor denen sich schwer warnen lässt.“
Zu den lokalen Folgen des Klimakollaps zählt der Feuerwehrmann auch die extreme Hitze. So zog die Dürre in den letzten beiden Sommern ein Fischsterben nach sich, während sich die Anzahl der Kleinbrände verdoppelt habe. Auch Herz-Kreislaufprobleme nehmen in diesen tropischen Tagen zu: „Vor allem die älteren Menschen leiden darunter“, so Heußen. Das gelte ebenso für den Rettungsdienst selbst: „Die Einsatzkräfte haben bis zur Erschöpfung gearbeitet.“ Schließlich wurde die Schutzkleidung angepasst. Seitdem trägt die Feuerwehr an heißen Sommertagen kurze Hosen, berichtet Heußen: „Das macht der Körper sonst nicht mehr mit.“
Doch auch gegen die Hitzeperioden seien bereits Anpassungsmaßnahmen ergriffen worden. Alte Bäume wurde durch neue ersetzt. „Damit wir Kühlung in die Städte bringen“, erklärt Marko Siekmann vom Tiefbaumt. „Dann können wir nachts wieder schlafen.“
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