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„Jugend ohne Gott“
Foto: Birgit Hupfeld

Blendwerk der Lügen

22. Februar 2018

„Jugend ohne Gott“ in Bochum – Theater Ruhr 03/18

Die Welt ist nicht so einfach gestrickt, wie man das gerne hätte. Schiefe Bahnen lauern überall und in Fallen kann man ständig fallen oder sich lieber in Löchern verkriechen. So könnte man die einfache, aber wirkungsvolle Bühnenstruktur von Michael Habelitz in den Bochumer Kammerspielen beschreiben. Auf dieser Schräge inszeniert Martina van Boxen mit dem Studiengang Schauspiel der Essener Folkwang Universität Ödön von Horváths „Jugend ohne Gott“. Und die bestreiten natürlich alle Schülerrollen und teilweise den Soundtrack (perfekt live und cool mit Manuel Loos), nur Martin Weigel als Lehrer bündelt geschickt die oft überschäumende Euphorie als Ensemblemitglied.

Eigentlich hat sich die Zeit wieder Horváths Roman von 1937 angenähert, leider müsste er als Oberstufen-Pflichtlektüre wieder Furore machen. Das Gift vernebelt die Geister der Schüler. Was eher harmlos beginnt, endet in Mord und Todschlag. Was van Boxen in der Regie geschickt erneuert, ist das massive gleichgültige Verhalten der Schüler, die im Urtext nur mit Buchstaben benannt werden und dort ausschließlich als Metapher für die Gedankenlosigkeit gegenüber dem Aufkeimen des Nationalsozialismus dienten. Die Gleichgültigkeit ist geblieben, hat aber moderne Ausprägungen.



Was bleibt, der Lehrer redet sich anfangs das Leben schön, kontert den Pfarrer und auch die Direktorin, doch als einer der Schüler erschlagen wird und er durch eine Disziplinlosigkeit in eine Zwickmühle aus Wissen und Standhaftigkeit gerät, muss er sich entscheiden, egal wie die Konsequenzen auch aussehen. Die Essener Schauspielschüler knallen eine großartige Turnübung auf die Schräge, eine Choreografie aus Tanz, Rutscheinlagen und Fahnenschwingen. Das kulminiert in der Gerichtsszene, die van Boxen geschickt als Persiflage auf Justizwesen und Prozessordnung inszeniert. Am Ende wird klar, wie unübersichtlich Ursache und Wirkung manchmal Schuld und Mittäterschaft machen können und selbst die inneren Monologe des Lehrers kaum zu seiner Freisprechung führen. Ob Gott am Ende das Allheilmittel ist, wage ich zu bezweifeln, aber Ödön von Horváth hat es nun mal so vorgesehen.

„Jugend ohne Gott“ | R: Martina van Boxen | Mi 7.3., Sa 17.3. 19.30 Uhr, So 1.4. 19 Uhr | Schauspielhaus Bochum | www.schauspielhausbochum.de

PETER ORTMANN

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