Von wegen grau in grau: Soziales Engagement ist mittlerweile auch schwarz-, rot- und blauhaarig. Wer sich zuletzt etwas in Bochum umgeschaut hat, dem wird aufgefallen sein, dass viele Initiativen neu gegründet wurden, an jungen Mitgliedern gewonnen und ihren Radius erweitert haben. Hinter dem Bahnhof Langendreer, im Studio 108, treffen sich Interessierte und Aktive, um gemeinsam zu brunchen und den inzwischen traditionellen Jahresrückblick des Friedensplenums anzuschauen. Hier lässt die Initiative mithilfe von Fotos Revue passieren, wer im vergangenen Jahr was in Bochum bewegt hat.
Zugegeben, viele der dort anwesenden Personen sind doch eher dem altblonden Spektrum zuzuordnen. Das mag jedoch auch daran liegen, dass Sonntagmorgen nicht unbedingt Prime-Time ist für Menschen, die studieren oder zur Schule gehen. Was allerdings nicht bedeutet, dass gerade diese nicht in aller Munde sind, egal, ob bei Mitorganisator und Bo-Alternativ-Redakteur Martin Budich, Redner Bernd Dreisbusch von ver.di oder Thomas und Sabine, die sich bei Brötchen und Kuchen unterhalten: Fridays for Future sind 2019 nicht wegzudenken aus Bochum und prägen somit Rede- und Fotobeiträge des Treffens.
„Die Bewegung hat einfach alles gesprengt“, sagt Martin Budich. Auch aufgrund anderer Aktiver, etwa der Radwende oder der Frauenbewegung, ist es bei diesem 17. Jahresrückblick schier unmöglich, einen vollständigen Überblick über alle Aktivitäten zu zeigen. Viele Fotos ziehen bereits unkommentiert im Hintergrund der Wortbeiträge über die Leinwand, den eigentlichen Rückblick moderieren später Martin Budich und Stefan Nölle.
Eine der Fridays-for-Future-Verantwortlichen ist Lotta. Einen Kaffee vor sich, plaudert sie mit einem Freund. Im Hintergrund spielt Huggy Jörg Borghardt in cooler Barpianist-Manier, sodass man sich kurz fragt, ob es wirklich Sonntagmorgen ist. Die 17-Jährige steckt mittlerweile gut und gerne zehn Stunden pro Woche in die Organisation und Koordinierung der Bochumer Gruppe. Sie spricht über ihre Hoffnung, dass die Proteste weitergehen – ist aber gleichzeitig überzeugt, dass mehr Kreativität gefragt ist, um nicht nur den Dialog, sondern auch endlich Handlungen einzufordern. Sie nennt es eine absolut positive Entwicklung, dass sich verschiedene Initiativen zusammenfinden und ihre Kämpfe verbinden und verurteilt gleichzeitig Parteien, die die Bewegung für sich instrumentalisieren wollen. Zwischendurch tauscht sie sich über die Tagespresse aus. Kurzum: Die Gymnasiastin lässt durch Weitblick und Wissen all jene, die der Gruppe unterstellen, die Demo als Schulschwänz-Aktion zu nutzen, endgültig ziemlich doof dastehen.
Darüber kann auch der neue Geschäftsführer von ver.di Mittleres Ruhrgebiet, Bernd Dreisbusch, nur den Kopf schütteln. Streiken außerhalb der Arbeitszeiten? Das erscheint auch ihm ziemlich abwegig. Locker, wortgewandt und in einigen Passagen besonders eindringlich, führt sein Vortrag von der Verbesserung von Arbeitsbedingungen über Greta, die ihm „vom Stuhl gehauen“ habe, hin zu sehr klaren Worten gegen die AfD und den rechten Rand der Gesellschaft. „Die ver.di wird nicht zur großen Friedensbewegung. Aber es gibt ganz klar Interessen, die ähnlich sind.“
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