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„Practices to be S.R.“, 2017
Foto: Frank Vinken

Zur Strafe Neon

27. Februar 2019

Bernardí Roig im Lichtkunstmuseum Unna – Ruhrkunst 03/19

Im Keller ist es dunkel. Zwangsläufig. In einem alten Bierkeller ohne Fenster besonders. Der spanische Künstler Bernardí Roig scheint diese schnöde Erkenntnis ignorieren zu wollen. In surrealen, literarisch aufgeladenen Szenerien treibt er nicht nur die Augen der Besucher in Unnas ehemaliger Lindenbrauerei in den Wahnsinn. Auch die Erkenntnis „Mehr Licht“ geht kaum und die Frage, warum alle seine schneeweißen älteren Männer den Hosenknopf auf haben, hilft nicht wirklich weiter.

Da hängt die weiße Polyesterharz-Figur („Reflection Exercises“, 2004) mit dem gebeugten Kopf in einem Würfel reglos über einem Bildschirm auf dem man die Fußsohlen noch pendeln sieht und dabei eine Dialog-Szene aus David Lynchs „Blue Velvet“ hören kann („Jeffrey liegt auf einer Liege unter dem Baum“) – die Audiospur wird den Besucher bis in den letzten Winkel verfolgen: Vorbei an den gleißenden Neon-Übungen, die Zeit zu fangen („Practices to Catch the Time“, 2014), vorbei am weißen Mann mit offener Hose, der offensichtlich gequält und mit einem Pistolenfinger hinter dem Rücken in eine Leuchtstoffröhre beißt und auch eine Hommage an einen zu früh verstorbenen Beuys-Schüler zu sein scheint („An Illuminated Head For Blinky P. (gun)“, 2010).

Diese Lichtflut erzeugt Qualen und andauernden Schmerz, das Gesicht gegen die Wand gerichtet. Viel zu viel Licht gilt heute als negative Strömung, durch die die Menschen verlernt haben, die Sterne zu sehen – Roig treibt es in den Wahn, er installiert im Lichtkunstzentrum elektromagnetische Strahlung als Überdosis und in der Ausstellung „Excess“ auch als ironische Metapher auf die menschliche Existenz, die in Furcht vor allem und jedem ist. Bei „The Light Doesn‘t Matter“ (2010) bleibt zur Abwehr nur ein Sandsackhaufen nebst rauschendem Monitor und dann steht man auch schon vor dem fast unsichtbaren Signaldraht, der den Zugang zum ausgeweideten Tierkadaver („Der Italiener (The Cow)“, 2011), aus dem Röhren herausquellen, versperrt. Den Blick versperren die Neonröhren-Lichtbatterien fast auf die Installation „Practices to be S.R.“ von 2017. Fast 100 Stück lassen die Augen schmerzen, die lautlosen Schreie des Mannes spüren und immer noch ist die Audiospur mit Jeffreys Dialog aus „Blue Velvet“ und das verdammte Rauschen des Monitors im Kopf. Von wegen „it doesn‘t matter“.

Excess | bis 14.4. | Zentrum für Internationale Lichtkunst, Unna | www.lichtkunst-unna.de

Peter Ortmann

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