Eine kleine Szene am Rande der Ausstellung ist symptomatisch. In der Flucht des Museums steht Lehmbrucks zierliche schwarze Bronzeplastik „Badende“ (1902) auf einem Sockel mit Abstand vor Tony Craggs „Outspan“ (2008), einer mannshohen gelben muschelartigen Form: Der Dialog der Skulpturen ist frappierend und trägt zur gegenseitigen Klärung der Zeiten, von Figur und Abstraktion bei … Es weht ein neuer Geist durch das LehmbruckMuseum! Dass dies gerade an einer Ausstellung zum Expressionismus greifbar wird, deren Exponate vor 100 Jahren entstanden sind und überwiegend aus der eigenen Sammlung stammen, zeigt, wie spannend die Kunst der Vergangenheit ist und auf was für Ressourcen dieses Museum zurückgreifen kann.
Ausgangspunkt der Schau ist das skulpturale, zeichnerische und malerische Werk des Namensgebers dieses Museums, Wilhelm Lehmbruck (1881-1919). Lehmbruck hat mit innigen und dramatischen Gesten und mit Längungen der Extremitäten die realistische Figur in den Expressionismus überführt und damit Kunstgeschichte geschrieben. Die Ausstellung fügt nun sein Werk in den Kontext dieser Zeit ein. Zwischen den Malereien der Künstlergruppen „Brücke“ und „Blauer Reiter“, mit Frauen am See, Landschaften, Figuren und Paaren im Interieur, wird Lehmbruck als dramatisch erzählender Maler gezeigt. Im Wechselausstellungssaal stiehlt ihm freilich Erich Heckel mit seiner lebensgroßen „Stehenden mit aufgestütztem Kinn“ (1913) die Schau. Untersucht wird auch Lehmbrucks Beziehung zu Paris, wobei hier Köpfe und Häupter – so auch Brancusis „La Négresse blonde“ – im Mittelpunkt stehen, dann sein Verhältnis zu den konzentrierten Figuren von Barlach und Kollwitz und zu den auseinander stiebenden Darstellungssplittern etwa von Belling oder Otto Gutfreund.
Eine Erkenntnis ist, wie viel doch gleichzeitig in der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts passiert ist. Eine weitere, dass das LehmbruckMuseum zu recht zu den wichtigsten Skulpturen-Museen in Deutschland gehört. Eine dritte, dass mit dieser Ausstellung das Museum Profil gewinnt und es so weitergehen könnte.
„Bilder des Aufbruchs. Der Expressionismus und Lehmbruck“ | bis 9. Februar im LehmbruckMuseum in Duisburg | www.lehmbruckmuseum.de
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