Wenn man am St. Patrick’s Day den Bochumer Ruhr Congress betritt und von weitem erkennt, dass das Team des Essener Turock die Gastronomie an diesem Abend in die Hände genommen hat, kommt Freude auf: Erstens weiß man, dass entgegen früherer Erfahrungen mit der halleneigenen Gastro heute niemand verdursten wird – zweitens hat das Turock Guinness im Ausschank, da sollte der irische Nationalfeiertag würdig gefeiert werden können. Leider erfüllt sich die zweite Hoffnung nicht. Zwar versichert das freundliche Thekenpersonal, dass man damit geliebäugelt habe, das schwarze Gold auszuschenken, angesichts der zurückhaltenden Vorverkaufszahlen jedoch davon abgekehrt sei. Ein Blick in die Halle zeigt, was gemeint ist: Von den rund 3.000 möglichen Plätzen ist der weitaus größte Teil abgehängt, nur ein paar Hundert Musikfans haben sich eingefunden. Ein trauriges Bild für eine Band wie The Waterboys, die seit über 40 Jahren (mit einer mehrjährigen Pause und Solotätigkeit von Mike Scott) eine feste Größe im Folk-Rock sind. Gut, die ganz großen Zeiten der Band lagen in den 1980ern und 1990ern mit Touren im Vorprogramm von U2 oder den Pretenders oder umjubelten Glastonbury-Auftritten. Aber sie haben einen treuen Fankreis, der auch in Bochum wieder zusammenkommt. Viele der mit der Band ergrauten Fans haben sich nicht abschrecken lassen von Ticketpreisen ab 60 Euro – aber vielleicht hätte man mit einer anderen Preispolitik auch jüngere Konzertgeher locken können – oder schlicht eine kleinere Location booken sollen. Ein Blick auf den Tourkalender der Band zeigt, dass andernorts intimere Venues ausgewählt wurden wie z.B. das gerade mal 800 Stehplätze fassende Columbia Theater in Berlin.
Musikalische Könner
Doch egal: Wir sind in Bochum und der halbleere Ruhr Congress versprüht alles andere als Rock-Club-Feeling. Direkt vor der Bühne befinden sich einige sehr gut gefüllte Reihen im Parkett, danach ein paar Meter Leere bis zu den eher sporadisch gefüllten Tribünenplätzen. Um Punkt 20 Uhr entert die Band die Bühne und beginnt mit „Strange Boat“ im verhaltenen Mid-Tempo. Die Bühne ist eher dunkel gehalten, der zurückhaltende Einsatz von Licht lässt die Besucher die Ohren umso mehr spitzen. Von der Wucht her mag der Tontechniker gehofft haben, dass es doch noch voller würde, aber insgesamt sind alle Instrumente und die Stimme klar abgemischt. Und das ist auch gut so, denn hier gehen Könner an den Saiten, Tasten und Sticks zu Werke. Mit „Where the Action is“, einem der neueren Songs, zeigt Mike Scott früh, dass er sich vom Folk-Rock stetig mehr in Richtung Blues-Rock entwickelt hat. Wäre jemand an diesem Abend zum ersten Mal bei einem Waterboys-Konzert, er könnte meinen, er habe eine US-Americana oder Southern-Rock-Band vor sich. Von Galway nach Graceland ist es offenbar nur ein Katzensprung. Das mag auch an der aktuellen Besetzung der Band liegen, denn Steve Wickham, der mit seiner Violine in früheren Jahren mehr als nur Akzente setzte, fehlt ebenso wie die Saxophon- oder Mundharmonika-Klänge von Gründungsmitglied Anthony Thistlewaite. Aber was ist schon die „Originalbesetzung“ bei einer Band, deren „List of former Members“ bei Wikipedia auf schlappe 79 Einträge kommt und wo bereits der Eintrag der „Current Members“ veraltet ist? In Bochum auf der Bühne stehen neben Mike Scott an Gitarre und Stimme Aengus Ralston am Bass, Brother Paul Brown an den Keyboards, Eamon Ferris an den Drums und James Hallawell an den Keyboards.
Gut eingespielt
Trotz der fehlenden langjährigen Tradition als Band präsentieren sich die Musiker als gut aufeinander eingespielte Einheit. Insbesondere der optisch zwischen Otto Waalkes und Catweazle changierende Brother Paul Brown entpuppt sich als Tier an den Tasten, stiehlt Frontmann Scott bisweilen regelrecht die Schau. Scott gibt sich gut gelaunt, aber zurückhaltend. Der gebürtige Schotte lebt mittlerweile als „naturalized Irishman“ mit irischem Pass in Dublin und in Hinblick auf das Datum bekennt er, eigentlich mit den Bandmitgliedern Aengus und Eamon St. Patrick’s Day feiern zu müssen, kündigt stattdessen einen „old irish Blues“ an, „The Lake Isle of Innisfree“ von William Butler Yeats. Das vermeintliche Zugeständnis an den Feiertag hat die Band aber ohnehin regelmäßig auf dem Zettel. Ansonsten bietet die Setlist einen Querschnitt durch die Schaffensjahrzehnte der Band, wobei der Schwerpunkt mit ganzen vier Songs auf der Platte „This is the Sea“ aus dem Jahr 1985 liegt. Vom aktuellen Longplayer „All Souls Hill“ bekommt man nur „Once were brothers“ zu hören. Doch dem Publikum kommt diese Songauswahl entgegen. Bei „Girl called Johnny“ kommt Bewegung in die Stuhlreihen, bei „The Pan within“, das traditionell von „Because the night“ eingerahmt wird, hält es kaum jemanden mehr in den Sitzen. Schade nur, dass just nach diesem Song eine rund halbstündige Pause eingeläutet wird. Die Stimmung, die angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen nur zögerlich aufgebaut hat, wird also wieder auf Null zurückgefahren. Nach der Pause hat die Band ihr Publikum schneller im Griff – was aber kein Wunder ist, wenn man den legendären „Fisherman’s Blues“ auftischt. Doch erst bei den Zugaben „Be my enemy“ und „The whole of the Moon“ steht wirklich die gesamte Halle.
Insgesamt hätte man Publikum und Band mit einer kleineren Halle einen großen Gefallen getan. Bei mehr Nähe zwischen Musikern und wäre der Funke bei den vorwiegend im Mid-Tempo gehaltenen Stücken mit filigranen Solo-Parts schneller und leichter übergesprungen.
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