Das Ende der Diskussion kam mit der Einführung der Kommentarfunktion auf Internetplattformen. Nun herrscht seit langem die Diktatur des Statements, ob es zur Frage passt oder nicht. Hauptsache ich werde meine krude Weltsicht los und finde Deppen, die das auch noch gut finden. Zurück zur Diskussion! Auch in diesem Jahr hat die Künstlergruppe raumlabor aus Berlin vor der Jahrhunderthalle des ehemaligen Bochumer Vereins ihren Splatter-Flieger aufgebaut, der wieder zu einer wichtigen Diskursplattform über Fragen der Gegenwart und der Kunst wird.
Dazu passt auch eine wichtige Arbeit des niederländischen Theatermachers Jetse Batelaan, der dafür einen Silbernen Bären der Venedig-Biennale bekommen hat und für den Theater etwas ist, dem man sich erst einmal widersetzt. Schon der verwirrende Titel des Stücks über die Suche nach einem Stück ist pure Haltung: „Ein Stück, dem es scheißegal ist, dass sein Titel vage ist“ – um was geht es denn nun im Essener Maschinenhaus? Ganz einfach nur darum, dass Theater alles kann, alles darf und eigentlich auch alles machen dürfte, ein Umstand den 90 Prozent der öffentlich geförderten Schauspielhäuser längst vergessen haben oder sich eingeschüchtert nicht mehr trauen. Noch einmal zurück in den Flieger – immer noch Transall C-160 mit einem Stück Boeing, keine Angst, nicht 737 Max – wo im September im sogenannten „Third Space“ auch ein Reanimationsworkshop angeboten wird: Wer wollte nicht einmal ein Leben retten oder sollte das ganz anders gemeint sein oder hat auch das etwas mit Verbundenheit zu tun?
Solidarität (Αλληλεγγύη) scheint angesichts der weltweiten Krisen nicht mehr nur eine moralische Option, sondern eine Notwendigkeit zu sein. In ihrer mehrteiligen Video-Installation befragen die Künstlerin Barbara Ehnes und ihr Team engagierte Einzelpersonen und subkulturelle Initiativen zu ihrem Verständnis von Solidarität. Offensichtlich: Es gibt eine Analogie zwischen dem von der Schuldenkrise schwer getroffenen Griechenland und dem sich im Strukturwandel befindlichen Ruhrgebiet.
„Third Space“ | bis 23.9. | Festivalzentrum Jahrhunderthalle Bochum | 0234 97 48 33 00
„Ein Stück, dem es scheißegal ist, dass sein Titel vage ist“ | 18.-28.9. | Maschinenhaus Essen | 0221 28 02 10
„Αλληλεγγύη“ | bis 29.9. | Festivalzentrum Jahrhunderthalle Bochum | 0234 97 48 33 00
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