Erst in diesem Frühjahr waren es über 40 indigene Völker, die zusammenkamen: zum Protest gegen Brasiliens faschistischen Präsidenten Bolsonaro. Dessen korrupte Regierung setzt seit der Amtsübernahme im Dienst des Kapitals brutale Landnahmen, Naturzerstörungen oder die direkte Ermordung der Bevölkerung durch. Die mächtigen Demonstrationszüge gegen Bolsonaros Politik strotzen zugleich vor Kreativität. So erklangen die Rhythmen der traditionellen Musik des Guaraní-Volkes.
Von diesem indigenen Protest ließ sich Lia Rodrigues inspirieren, als sie „Encantado“ entwickelte. Die 1956 in São Paolo geborene Choreografin gehört zu den wichtigsten künstlerischen Stimmen Brasiliens. In ihren Arbeiten griff sie Motive von bedeutenden, progressiven Künstlern und Philosophen wie Jean-Luc Godard und Glauber Rocha oder Gilles Deleuze und Elias Canetti auf.
„Encantado“ konzipierte sie gemeinsam mit der Companhia de Danças, die Rodrigues 1990 in der Favela de Maré gründete, der größten Rio de Janeiros. Ihre Darbietungen trugen von Anfang an die kollektive Energie der indigenen und proletarischen Bevölkerung auf die Bühne. Mit ihrem Stück „Pororoca“, einer Choreografie über die Gemeinschaft, tourte Rodrigues bereits 2009 durch Frankreich, Deutschland und andere europäische Länder.
„Encantado“, zuletzt zu sehen im Hebbel am Ufer (Berlin), führt Rodrigues im September im Rahmen der Ruhrtriennale auf: als Beschwörung der titelgebenden Wesen der indigenen Kultur. Denn die Encantados spuken zwischen Himmel und Erde, Menschen und Natur. Was mystisch klingt, wird in der Choreografie als karnevaleske Darbietung zwischen Tanz und Ritual performt. Während die Musik der indigenen Gemeinschaft der Guaraní Mbya erklingt, stehen die sieben Tänzer:innen zunächst nackt auf der Bühne. Erst im Laufe der Aufführung beginnen sie, ihre Körper mit bunten Draperien, mit Kleidungsstücken, wie man sie auf brasilianischen Märkten findet, zu bedecken.
Und dadurch das Erscheinungsbild von Hybridwesen zu evozieren, welche die Hierarchien von Menschen, Tieren und Pflanzen überwinden. Denn auch diese animistisch anmutende Welterschließung gehört zum Leben der indigenen Bevölkerung und damit auch zum Widerstand gegen Mechanismus, Kapitalismus und Faschismus.
„Encantado“ | 18.-22.8. 20 Uhr | PACT Zollverein (Ruhrtriennale) | www.ruhrtriennale.de
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