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Frauke Dannert, Ohne Titel, 2018, © / courtesy Künstlerin und Galerie Rupert Pfab, Düsseldorf
Foto: Dejan Saric

Schöne Kohle

28. Juni 2018

„Schwarz ist Gold“ im Lehmbruck Museum in Duisburg – kunst & gut 07/18

„Kunst & Kohle“: Unter diesem Titel thematisieren derzeit siebzehn Ausstellungsinstitute im Ruhrgebiet die Schließung der letzten Zechen, das Ende des Steinkohleabbaus und dessen Rolle für die Identität dieser Region. Auch wenn die Museen ihre Ausstellungen in Wechselwirkung mit ihrer Sammlung und dem Standort entwickelt haben, so gibt es inhaltliche Überschneidungen und Wiederholungen bei den Künstlern, was kein größeres Problem ist. Zu den besten Ausstellungen gehört die im Lehmbruck Museum, auch wenn die Künstlerliste heterogen wirkt. Aber sie beinhaltet einige großartige Werke und ist ausgesprochen wirkungsvoll inszeniert, dank der vor Ort geschaffenen Arbeiten. So stellen sich zwischen den Kunstwerken in der Wechselausstellungshalle und im Erweiterungsbau spiegelbildliche Situationen ein. Es beginnt mit Frauke Dannert. Durch den perspektivisch verengten Zugang in der Sogwirkung gesteigert, führen breite weiße Bahnen in einen schwarzen Raum. Sie nehmen das Spiel der Schattenraster auf der Außenfront des Erweiterungsbaus auf. Und im Raumabschnitt selbst stellt sich die Vorstellung eines Grubenschachtes ein, der schief und krumm von Balken gestützt wird: Und dabei handelt es sich lediglich um ein verrücktes Raster aus Intarsien im Boden und an der Wand.

Räumlich getrennt, in seiner eindrucksvollen Monumentalität aber damit korrespondierend, befindet sich die Wandarbeit von Jürgen Stollhans am Ende des Wechselausstellungsraums. In Dispersionsfarbe und Kreide verwebt seine Bild-Text-Montage schlafwandlerisch Episoden aus der Geschichte des Bergbaus. Und sie nimmt Kontakt zur raumgreifenden Bodenarbeit von David Hammons auf, bei der eine Modelleisenbahn zwischen aufgerichteten Klavierdeckeln und einer Landschaft aus Kohle fährt. Angesprochen sind die (globalen) Vertriebswege. Die geschwungenen Holzflächen lassen an die Förderanlagen denken, verweisen aber auch auf Jazz-Musik, die zugleich zu hören ist. David Hammons verbindet harte Arbeit mit kultureller Identität.

Dr. Michael Krajewski
Foto: Frank Vinken
Der Kurator

Dr. Michael Krajewski (*1962) ist Kunsthistoriker, Kritiker und Kurator. Er promovierte in Bonn zum Thema Art Brut und Jean Dubuffet. Seit 2012 arbeitet er als Kustos und Kurator für Moderne und Kunst der Gegenwart am Lehmbruck Museum.

Ebenfalls begleitet von (nun klassischer) Musik, ist ein Animationsfilm des südafrikanischen Künstlers William Kentridge zu sehen, der sich den anstrengenden Bedingungen und der Ausbeutung der Grubenarbeiter zuwendet. Im kontinuierlichen Fluss der schwarz-weiß gezeichneten Bilder erscheint die Kohle als sinnliches Strömen. Neben den kommerziellen industriellen Gewinn tritt die Ästhetik des „schwarzen Goldes“ – und das ist eben das Leitmotiv dieser Ausstellung im Lehmbruck Museum. Die substanzielle Präsenz der Kohle selbst verdeutlichen Richard Serras riesige Kohlezeichnungen mit den vibrierenden schwarzen Oberflächen, die in ihrer Vitalität die konstruktive Struktur aufheben. Noch einfacher (und genauso komplex) ist ein schimmernder, in seiner dichten Schwärze vibrierender Kohlehaufen von Bernar Venet. Ebenfalls aus den 1960er Jahren stammen Reiner Ruthenbecks Beiträge zur Arte povera, wie der „Aschehaufen IV (über Drahtknäuel)“ und „Schlacke mit Stahlstäben“ (1968), zu denen sich als weitere, sozusagen historische Position die irgendwie unvermeidlichen, aber immer wieder beeindruckenden Fotografien von Hochöfen von Bernd und Hilla Becher gesellen.

Im Gegensatz dazu geht Lara Favaretto in die Tiefe: Sie hat die Wurmlöcher in einem robusten alten Holztisch mit Goldstaub gefüllt, der auf der Tischfläche kaum sichtbar ist – ein faszinierendes Äquivalent für den Wert und die Organisation der Arbeit im Stollen. Prägnant passen dazu die Beiträge von Peter Buggenhout und Alicja Kwade. Buggenhout hat einen verbeulten möglichen Grubenwagen mit Erde und Kohlestaub wie in Schlamm gehüllt und in einer Vitrine zur Beobachtung freigegeben: als Relikt aus der Vergangenheit und Kostbarkeit, die auf Abstand gerückt ist und im Übrigen an irgendein ausgestorbenes Geschöpf denken lässt. Und in einer Fensternische stehen, leicht zu übersehen, Kwades mit Blattgold ummantelte Briketts. Die Goldbarren sind eben doch Kohle. Oder doch umgekehrt?

Reichtum: Schwarz ist Gold | bis 7.10. | Lehmbruck Museum in Duisburg | www.lehmbruckmuseum.de

Thomas Hirsch

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