Unbewusst sind wir alle Schlagzeuger. Wir trommeln auf Tischplatten, auf Oberschenkeln, wir klappern an Tellern, Lenkrädern, flitschen Gummis mechanisch gegen hohle Körper. In der Musik haben sich daraus erst die afrikanischen Trommeln, später konzertante Instrumente zwischen Pauke und Triangel entwickelt. Jeder kennt heute die riesigen japanischen Taikos, die monströsen tibetanischen Gongs oder die kleinen spanischen Kastagnetten. Alle brauchen mehr oder weniger Resonanzköper, um ihre Schwingungen in hörbare Ergebnisse zu verwandeln. War die Perkussion lange Zeit ein Hintergrund-Effekt, hat sie sich längst frei gemacht, schafft wieder unmittelbare und ursprüngliche Formen der Musikerzeugung – auch mit Soloinstrumenten. Steven Sloane und die Bochumer Symphoniker haben nun eine Art Fokus-Projekt entwickelt, mit dem Highlights dieser facettenreichen Musikformen unters Volk gebracht werden kann. So sollen, ich zitiere: „die rauen, archaischen und fremd anmutenden Spielweisen anderer Kulturen und Zeiten, aber auch die extrem verfeinerten, häufig konzeptionell unterfütterten Kompositionen zeitgenössischer Musik“ erlebbar gemacht werden. Bei den Extra-Events kann das Publikum sogar selbst aktiv werden.
Schauen wir auf zwei erste Events im Januar. Der Herzschlag des Lebens ist und bleibt die Taiko. Mit ihr, der traditionellen japanischen Trommel – eine Synthese aus „Rhythmus, Kraft und Geist“ – wurden einst die Kämpfer auf dem Schlachtfeld begleitet, aber auch die Liebenden an zahllosen Festen. Immer wurden die Götter beschworen, mit donnernden Rhythmen. Das macht auch das Ensemble Wadokyo in Bochum. Eine Woche später kommt der hellste Stern am europäischen Percussionisten-Himmel: der Österreichische Martin Grubinger. Der Schlagwerk-Tausendsassa hat in hinreißender Weise das Schlagwerk als Soloinstrument in den Mittelpunkt des klassischen Konzertbetriebs katapultiert. Wer ihn je erben durfte, trommelt von da an mit seinen Fingern ganz anders auf die Schreibtische dieser Welt.
Taiko: Mo 22.1. 20 Uhr | Martin Grubinger: Mo 29.1. 20 Uhr | Musikforum Ruhr, Bochum | www.bochumer-symphonie.de
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