Für viele Klassikfans birgt dieses konzentrierte Stück eine der ergreifendsten Musiken aus deutscher Feder: Die „Metamorphosen“ von Richard Strauss, zu spielen von 23 Solostreichern, komponiert angesichts des zerstörten Münchens, in Gedanken an Weimar und Dresden. Der alte Mann, der als Revolutionär die moderne Musiksprache erweiterte und hochdramatische Ergüsse wie Elektra oder Salome verantwortete, wählt am Ende seines Schaffens für eine private Bekenntnismusik die höchste Kunst des Streichquartetts in klanglich erweiterter Form, die Intimität der Kammermusik und den warmen emotionalen Ton der Romantik. Und er zaubert einen unendlichen Seufzer, eine wogende, nicht fassbare Trauer. Die Bässe schwingen sich immer wieder auf, was steten Verlust an Bodenhaftung bewirkt. Metamorphose meint Veränderung, Variation und Entwicklung – die Bochumer Symphoniker haben diesen Titel über ein ganzes Konzert gestellt.
Sie feiern 2019 ihr 100-jähriges Bestehen. Am Anfang setzte das als „Städtisches Orchester Bochum“ gegründete Ensemble auf die Avantgarde unter den Komponisten, der Wiener Bürgerschreck Anton Webern bewarb sich sogar als Generalmusikdirektor. Auch Paul Hindemith trat in den Nachkriegsjahren ans Pult des Orchesters. Von ihm spielen die aktuellen Bosys eine „Trauermusik“, die in England an einem einzigen Morgen niedergeschrieben wurde. Hindemith war nämlich 1936 nach London gereist, um dort ein Werk für Viola und Orchester aufzuführen, als am Anreisetag der englische König Georg V. verstarb. Das geplante Programm war damit hinfällig, niemand hatte eine Idee, und so schrieb Hindemith in einem Büroraum der BBC ein kurzes Werk für Viola und Streichorchester: eine Trauermusik zum Tode des Königs.
War dies eine sehr spontane und seine Zeitgenossen beeindruckende Leistung, so gab es einen klassischen Meister, der die sinfonische Form in steter Metamorphose studierte: Joseph Haydn war just am Hofe des Fürsten Esterházy eingetroffen, als er begann, in seinen Kompositionen die ebenfalls neuen Musiker am Hofe zu begrüßen. So schrieb er in der Sinfonie „Le matin“, das Morgenstück seines „Tageszeiten“-Zyklus, kurze Soli für alle neuen Mitglieder des Hoforchesters. Die Bochumer lassen sich bei der Aufführung dieser interessanten Werke von ihrem Konzertmeister Raphael Christ leiten, als Solist auf der Bratsche operiert Aliaksandr Senazhenski. Auch das sind Spielvarianten eines engagierten Orchesters.
BoSy Pur 2: Metamorphosen | Mi 13.2. 20 Uhr | Musikforum Ruhr | www.bochumer-symphoniker.de
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