Die Zukunft der bald postindustriellen Stadt Bochum könnte ein Donutstand auf dem Rathausvorplatz sein. Jedenfalls wenn es nach dem britischen Künstlerduo Heather und Ivan Morison geht. Sie planen einen solchen US-amerikanischen Verkaufsstand als Veranstaltungsort beim diesjährigen Detroit-Projekt, „all‘s well that ends“ ist der Titel der urbanen Intervention, und der scheint schon ein wenig diabolisch die Zielrichtung der „Urbanen Künste Ruhr“ zu beschreiben. Nach dem Weggang der Großindustrie und der Ziellosigkeit politischer Visionen für das Ruhrgebiet kommt dem Projekt bereits jetzt eine strategische Leuchturmfunktion der Kultur zugute – es gibt jenseits der touristischen Vermarktung ehemaliger Arbeitsräume kapitalistischer Ausbeutungsfabriken nämlich nichts mehr, was wenigstens in eine bronzene Zukunft zeigen würde. Also ist es leichter, man manipuliert die Realität, manipuliert den Blick auf Umfeld, manipuliert sich selbst und die Zukunft der Städte im Ruhrgebiet. Denn: „Lösungen haben wir auch nicht“, sagt Intendant Anselm Weber bei der Vorstellung des Projekts in seinem Bochumer Schauspielhaus und begründet die Zusammenarbeit mit den „Urbanen Künsten“ als eine logische Entwicklung für die Ausrichtung eines Theatertankers für die nächsten Jahre. Die Zeiten, in denen das Schauspiel ausschließlich in seinem eigenen geschützten Umfeld agiere, seien endgültig vorbei und kämen auch nie wieder.
Das im April beginnende Sommerfestival ist die zentrale Veranstaltung des Detroit-Projekts. Die Kuratoren Katja Aßmann, künstlerische Leiterin von Urbane Künste Ruhr, Olaf Kröck und Sabine Reich, geschäftsführende Dramaturgen des Schauspielhauses Bochum, wählten gemeinsam mit ihren europäischen Kollegen aus weiteren Opel-Städten Paul Domela (Großbritannien), Marta Keil (Polen) und Alberto Nanclares der Gruppe Basurama (Spanien) die beteiligten Künstler und Partner aus und entwickelten ein umfangreiches Programm für alle Einwohner der Stadt sowie der Region. Über 20 Kunstprojekte internationaler und nationaler Künstler werden dazu im Bochumer Stadtraum realisiert. Am auffälligsten wird dabei die LED-Installation des britischen Kunst- und Theatermachers Tim Etchells. Er installiert den Schriftzug „How love could be“ am Förderturm des Bergbaumuseums und will damit am Wahrzeichen vielleicht die Frage nach der Bewältigung des gesellschaftlichen Wandels beantworten. Damit schließt sich der Kreis der manipulativen Strategie, denn dieser Förderturm hat dort eigentlich nie etwas befördert, eben nur die Besucher in eine virtuelle Bergbauwelt, tief unter der Erde. Wo wir wieder in der Hölle angekommen sind und beim wahrscheinlich größten Highlight des Festivals – dem Keller der berühmten Zeche 1. Hier baut der polnische Installations-Tausendsassa Robert Kuśmirowski nämlich den Ort der Verdammnis auf. Eine perfekte Illusion zwischen barockem Exzess und dem detailreichem Irrwitz eines Blendwerks. So wird die Zukunft des Ruhrgebiets mit Aspekten von Transität, Verschwinden und Tod sichtbar. Das sollte sich niemand entgehen lassen.
Das Detroit-Projekt | 26.4.-5.7. | Eröffnung: 26.4. (Bergbaumuseum) | Bochum | 0234 3333 5555
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Natur aus dem Gleichgewicht
Mika Rottenberg im Lehmbruck Museum in Duisburg – kunst & gut 11/25
Gespiegelte Erdgeschichte
Robert Smithson in Bottrop – Ruhrkunst 11/25
Unter Ruhris
Brigitte Kraemer in Essen – Ruhrkunst 11/25
„Bei Fluxus ging es nicht ums Genie“
Direktorin Julia Lerch Zajączkowska über „How We Met“ im Kunstmuseum Bochum – Sammlung 11/25
Wahre Geschichten
William Kentridge im Museum Folkwang Essen – kunst & gut 10/25
Solare Kräfte
„Genossin Sonne“ im Dortmunder U – Ruhrkunst 10/25
„Absurd und bewusst irritierend“
Kuratorin Inke Arns über „Genossin Sonne“ im Dortmunder HMKV – Sammlung 09/25
Unterwegs im virtuellen Raum
Peter Kogler im Lehmbruck Museum in Duisburg – kunst & gut 09/25
Ruhrgebilder
Pixelprojekt-Neuaufnahmen in Gelsenkirchen – Ruhrkunst 09/25
Imdahls Sehschule
50 Jahre RUB-Kunstsammlung in Bochum – Ruhrkunst 09/25
Formationen lesen
Amit Goffer im Haus Kemnade – Ruhrkunst 08/25
„Er fragt auch nach den Bezügen zu Europa“
Kurator Tobias Burg über „William Kentridge. Listen to the Echo“ im Essener Museum Folkwang – Sammlung 08/25
Appetithäppchen
Westdeutscher Künstlerbund (WKB) in Witten – Ruhrkunst 08/25
Geschichten und Gegenwart
Miriam Vlaming in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 08/25
Realismus des Alltags
Paula Rego im Museum Folkwang in Essen – kunst & gut 07/25
„Auch mal am Tresen entstanden“
Leiterin Christine Vogt über die Ausstellung zu Udo Lindenberg in der Ludwiggalerie Oberhausen – Sammlung 07/25
Viel zu tun
RUB-Sammlungen im MuT Bochum – Ruhrkunst 07/25
Nachtspaziergang im Keller
„Light-Land-Scapes“ in Unna – Ruhrkunst 07/25
„Der Beton ist natürlich sehr dominant“
Die Kurator:innen Gertrud Peters und Johannes Raumann zu „Human Work“ in Düsseldorf – Sammlung 07/25
Die „Zweite Schuld“ der Justiz
Ausstellung zur NS-Vergangenheit des Bundesjustizministerium im Bochumer Fritz-Bauer-Forum – Ausstellung 06/25
Gegen den Strom
Dieter Krieg im Museum Küppersmühle – kunst & gut 06/25
Women first!
Judy Chicago in Recklinghausen – Ruhrkunst 06/25
In der Kunstküche
„Am Tisch“ und Medienkunst im Dortmunder U – Ruhrkunst 06/25
„Moderne Technologien werden immer relevanter“
Die Leiterin der Kunstvermittlung des ZfIL Unna, Christiane Hahn, über die neue Jahresausstellung – Sammlung 06/25
Geschichten einer Leidenschaft
Oskar Kokoschka mit den Porträts von Alma Mahler in Essen – kunst & gut 05/25