Selbst die Soldaten des britischen Militärs sind regelrecht geschockt von dem, was sie da beim Abhören deutscher Kriegsgefangener zu hören bekommen. „Was sie nicht erwartet haben, war dieses Gelächter“, erzählt Klaus Theweleit am 21.1.. Denn es ist eines darüber, dass sie Juden erschossen haben – sie haben ihre Taten mit Lachen gefeiert. Diese schockierende Lust am Bösen ist das Thema Theweleits. Mit seinem neuen Buch „Das Lachen der Täter“, aus dem er im gut gefüllten Studio des Schauspiel Dortmund vorlas, knüpft er direkt an sein berühmtes Werk „Männerphantasien“ an. Angesichts eines fast selbstverständlichen „linguistic turn“ in der psychoanalytischen Kulturtheorie von Lacan bis Žižek bleibt sich Theweleit damit treu, wenn er die „psychophysische“ Leibhaftigkeit des Bösen analysiert. Beharrlich setzt er diese Kontinuität der (männlichen) Täterforschung fort: die Lust am Töten, die er den Wehrmachtsoldaten zuschrieb, beobachtet er auch am modernen Terror von Anders Breivik bis zu den Jihadisten des Islamischen Staates.
Wie schon sein Klassiker „Männerphantasien“ ist auch Theweleits neues Buch weniger eine sozialwissenschaftliche Analyse, sondern eher eine Montage: Aus verschiedenen Fundstücken und Quellen wie Tagebüchern, Berichten, Zeitungsartikeln oder Essays entwirft der Kulturwissenschaftler ein Psychogramm der Tötungslust, ein Kaleidoskop des Schreckens. „Grausam, aber lehrreich“, bezeichnet er das. Denn Beispiele bietet auch die Gegenwart zuhauf: Anders Breivik lachte, nachdem er eine der unzähligen Jugendlichen während seines Attentats aus kurzer Distanz in den Kopf schoss. In seinem knapp 1.600-seitigen Manuskript feierte er schließlich seine Tat – im Namen eines höheren Rechts gegen den das „Multikulti-Regime“ und den „feministischen Kulturmarxismus“. Ein Muster, das Theweleit genauso bei den Gotteskriegern des IS beobachtet, die ihre Massaker auch im Namen eines höheren Rechts erklären. Alle diese Akteure inszenierten ihre Hinrichtungen – „ein Akt des lachenden Tötens“, den er etwa in den Reenactments des Doku-Films „The Act of Killing“ sieht, in der Täter über die Massenmorde in Indonesien während der 1960er reden. „Sie drehen einen Film über Verbrechen, auf die sie stolz sind.“
„Diese Art des Handelns ist universell feststellbar“, sagt Theweleit, der den Grund für diese grauenvolle Lust am Töten vor allem in der Fragmentierung von Identität sieht, der Unfähigkeit vor allem junger Männer, das auszubilden, was die Psychoanalyse das „Ich“ nennt. „Jubel des Terrors zur eigenen Körperstabilisierung“, nennt der Autor die Reaktion der darauf. Die schrecklichen Formen der Gewaltausübung finden vor allem in Krisenregionen statt, in der „Straffreiheit in der göttlichen Hölle“, wo Frauen vergewaltigt und verstümmelt werden.
Selbst für den geübten Psychoanalytiker sind das nur schwer zu verdauende Hypothesen, wie er gesteht: „Ich würde mich hüten, mich Tag ein, Tag aus, mit diesen Sachen zu beschäftigen. Zumindest sei mittlerweile der Gewaltpegel gesunken, einen Zivilisationsprozess sehe man schon, wie er sagt. Immerhin das stimmt hoffnungsvoll. Oder wie Theweleit resümiert: „Wir müssen nicht verzweifeln vor den Killern.“
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