Die Welt spielt verrückt, und jetzt soll die Kunst es richten? Nicht dass das verlangt worden wäre beim Podium, zu dem die Plattform „Herausforderung Zukunft“ mit Sascha Hellen eine wirklich illustre Runde gewonnen hatte. Moderiert wurde dezent und ohne Drängen. Freilich: Künstler nutzen Bühnen – und der Rahmen schien angetan zu großen Worten. Was die Zuschauer, zahllos zur Kortumstraße gepilgert, dann im security-gesicherten Saal bekamen, hatte etwas von einer Performance aus künstlerischen Positionen.
Es war der Tag von Putins Wiederwahl, und Moderator Michael Krons nannte sie zum Einstieg ebenso wie Trumps neue Zollpolitik – wohl im Sinne von: Hier bedenkliches Demokratieverständnis, dort außenpolitische Aggression. „Können die Künstler uns erklären, was da in der Welt los ist?“ Aufgefasst wurde das dann zum Glück weniger als Aufforderung, doch bitte die Weltformel zu liefern: Vorgeführt wurden statt dessen Rollen und Möglichkeiten des Künstlers. Mit Robert Wilson und Claus Peymann spiegelten dabei zwei Bühnen-Größen verschiedene Positionen.
Robert Wilson, weltweit gefeierter Theater- und Opern-Regisseur, umriss Künstler als „eine Art Tagebuch“, deren Tun sich demnach einschreibt und Bleibendes schafft. Würdig, gesetzt und im Anzug glich sein Auftreten dabei dem eines „elder statesman“, Druckreifes inbegriffen: „I think that the only thing that is constant in time is change.“ Ziemlich das Gegenteil zeigte gewissermaßen die Malerin und Skulpturistin Elvira Bach, die impulsiv und so gar nicht strukturiert über sich sprach: „Ich wurde ausgespart, man hat gesagt, ich mache immer dasselbe, aber ich habe immer an mich geglaubt.“ Das sorgte für etwas Irritation im Publikum, aber mit Überraschungen sollte rechnen, wer zu Künstlern geht.
Ab von den großen Fragen war denn auch der ganze Verlauf des Abends spannend. Offenbar kannte sich mancher auf dem Podium, und wer dies und anderes nicht wusste als Beobachter, konnte schon einmal den Überblick verlieren. Claus Peymann, Intendanten-Legende in Bochum und beim Berliner Ensemble, kommentierte in Elvira Bachs Richtung: „Du hast mich ein bisschen an Beuys erinnert. Er hat mit mir eine ‚Iphigenie‘ gespielt – ähnlich wie du gerade dich selbst gespielt hast.“ Da hatte sie gerade auf einen anderen Teilnehmer Bezug genommen: „Ich habe mal für Wilson an der Schaubühne gesungen: You are my sunshine…“, um dasselbe dann auch noch kurz anzustimmen.
Überhaupt Peymann: Er betrieb Spiel und Verknüpfung der Akteure souverän – und auch erhellend. Es ging ja weiter um Grundsätzliches, und bei der Orientierung half auch der Moderator. Aber eigen und klar Linien zu legen: Vielleicht kann das wirklich ein Regisseur, und gerade so einer, am besten?
Zum Thema des Abends gab es zwar optimistische Beiträge, und für den wohl einprägsamsten stand ein Journalist: Can Dündar war Chef der türkischen Zeitung Cumhürriyet und kam unter Erdogan in Haft. Er sagte nun, in der Gefängnisbücherei habe er Halt gefunden – in der „Schachnovelle“ von Stefan Zweig: „Ich fühlte mich als Teil der Familie von Schreibern, die gequält wurden.“ Peymann nahm die Episode auf, aber nicht ohne ihre Botschaft gleich wieder zu relativieren: „Das sind schöne Geschichten. Insgeheim glaube ich auch daran. Offiziell aber erfüllt mich Ratlosigkeit.“
Der Fünfte im Bunde klang dann etwas nach Kontrafaktur dieses Doppelurteils: Steven Sloane, Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker, brach eine Lanze für die „Kunst des Augenblicks“ und den bleibenden Wert, den Künstler kreierten: „I see art as the only way that society can grow.“ Und wie um zu vermeiden, am Ende gar so etwas wie Hoffnung zu verbreiten, setzte auch er ironisch eine „private“ Haltung dagegen: „Ich soll das nicht übersetzen ... Ich habe gesagt: Ich mache Kunst nur für mich selbst, und alles andere ist mir scheißegal.“ Das freilich durfte man getrost als Koketterie verstehen. Denn wie viel Macht die Kunst hat, mochte diesen Abend umstritten sein. Doch niemand mochte bestreiten, dass Künstler in der Welt gebraucht werden, heute mehr denn je.
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