Das war schon eine wundersame Welt in Deutschland zehn Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, man lebte sein Wirtschaftswunder, die Technik wurde zum futuristischen Heilsbringer. Im knielangen Mantel posiert ein Fotomodel 1962 vor dem silbrigen Forschungsreaktor in Garching, der damals aussah wie eine eingegrabeneJuicy-Salif-Zitronenpresse von Alessi.Die Fotografin Regina Relang, auch mit einem Abschluss als Kunsterzieherin, ist da bereits eine der bedeutenden Repräsentantinnen der deutschen Modefotografenszene, die damals noch von Frauen dominiert wurde, aber natürlich nicht mehr lange.
Ihre Karriere begann in Paris, nicht ungewöhnlich für den Spross einer Stuttgarter Künstlerfamilie. Vom Quartier de Montparnasse aus startete sie Reportage-Reisen quer durch Europa und die Türkei. Vogue, Madame, Harper‘s Bazaar, gerade die Top-Illustrierten druckten ihre Bilder. Und das waren keine inszenierten schwarzweißen Hochglanzfotos. Die Serie „Frauenarbeit“ (1927) oder Bilder wie „Islamische Einwohner vor den Toren Sarajewos“ (1937) zeigten die echte Realität, obwohl sie schon damals auch Performatives wie „Schuhe gehen um einen Baum“ oder das „Handschuhballet“ (beides Paris, 1936) realisierte. Aber dann kam die Mode, die Eleganz, es kam die Schickeria.
Drei Etagen füllen ihre Fotografien in der Ludwiggalerie im Schloss Oberhausen. „Inszenierte Eleganz“ heißt die Ausstellung, die aus ihrem Nachlass im Münchner Stadtmuseum zusammengestellt wurde. München, da zog sie nach dem Krieg hin, wurde ihre zweite Heimat. Die Karriere rockte. Sie setzte ihren eigenen Stil durch, fotografierte Staebe-Seger-Modelle im Zirkus (1951), ließ die jungen Damen auf der Zugspitze mächtig frieren (1953 lag da noch echt viel Schnee) oder blitzte den jungen Karl Lagerfeld „überraschend“ in der Werkstadt von Jean Patou (1959). Mode von Elsa Schiaparelli, Christian Dior, Yves Saint Laurent, niemand verschloss sich ihrem Talent. Regina Relang darf für die Magazine sogar die Fotos auswählen, die ins Heft kamen – ein paar davon gibt’s in Oberhausen noch im Original in Vitrinen.
Steigt der Besucher noch weiter dem Himmel entgegen, so heißt die letzte Abteilung, kuratiert von der jungen Gesine Emmerich, „Von der Straße ins Studio“. Die Inszenierungen werden aufwändiger, man kann es förmlich spüren, auch sind hier die ersten Farbaufnahmen zu sehen. Mit Nierentisch und authentischen Clubsesseln. Das Studio erfordert Präzision, jede Falte, jede Fußstellung wird nun auf ihre Wirkung hinterfragt, manche Pose wie „Vier Models in Berliner Mode“ (1960) wirkt heute eher statisch oder aufgesetzt, damals war das der letzte Schrei – und der letzte Schick. Ältere Besucherinnen werden an den alten Fotos, den historischen Locations und den zum großen Teil immer noch sensationellen Kleiderentwürfen ihre helle Freude haben, sagt Museumsdirektorin Christine Vogt. Stimmt, und für mitreisende Männer empfehle ich die Fotoapparat-Vitrine, natürlich mit Hasselblad nebst Prospekt, Rolleiflex, einem analogen Belichtungsmesser und unbelichteten Kodak-Filmen.
„Regina Relang – Inszenierte Eleganz“ | bis 18.9. | Ludwiggalerie, Schloss Oberhausen | 0208 412 49 11
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