Die Freiheit der Kunst ist nicht verhandelbar, deren Wirkmächtigkeit für den Einzelnen schon. Der Fundamentalismus hat weite Teile der Welt in den Klauen einer nur behaupteten Allwissenheit. Und schon musste sich die Intendantin der Ruhrtriennale einem Podium stellen und erklären, warum sie die schottische Hip-Hop-Band Young Fathers eingeladen hat, die eine transnationale politische Kampagne BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) gegen Israel unterstützt, die sich insbesondere gegen die ultrarechte Gesinnung der Regierung dort richtet. Stefanie Carp hatte die Musiker zwar wegen des politischen Aufruhrs wieder ausgeladen, aber umgehend wieder eingeladen, als sie die künstlerische Konsequenz ihres Handelns analysierte.
Eine Stoßwelle schwappte nun über die Ruhrtriennale, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) fühlte sich zum Boykott berufen, seine Landesregierung mobilisierte ihre Medienkonzerne im Land. Die Bochumer Turbinenhalle wurde zur Bühne für eine absurde Choreografie rechtsfundamentalistischer Israel-Unterstützer: Drei Worte sagen lassen, dann krakeelen, dann „Bullshit“ oder „Schwachsinn“ brüllen. Dann wieder drei Worte sagen lassen, jetzt „Antisemitismus“ brüllen, und so weiter. Sie sollten sich doch freuen. Israel hat doch jetzt sein Nationalitätsgesetz, ist endlich ein Nationalstaat nur für jüdische Menschen. Das sei natürlich kein Rassismus, hat Trump getwittert, keine Apartheit. Danke für alles.
Unterstützung fand Stefanie Carp bei den Künstlern, nicht bei den Politikern, den neutralen Moderator Norbert Lammert mal ausgenommen. Das System Ruhrtriennale hat so einen gewaltigen Knacks bekommen. Zwar betonen alle die Autonomie der künstlerischen Leitung, auch Michael Vesper, grüner Ex-NRW-Minister für Städtebau und Wohnen, Sport und auch Kultur will keinen Mainstream, dennoch watschten er und die parteilose NRW-Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Isabel Pfeiffer-Poensgen, die Intendantin für das Hin und Her ab, das Für und Wider spielte mal wieder keine Rolle. Bei den Unterstützern war das ähnlich, auch da war ein Für und Wider nicht zu erkennen, der israelische Filmemacher Udi Aloni schlug gleich völlig aus dem Ruder.
Nur Theatermann Schorsch Kamerun, auch Goldene-Zitronen-Punk, erklärte, dass man sich in solchen Auseinandersetzungen nie auf eine Seite schlagen dürfe. Und damit hat er recht. Tote Kinder auf beiden Seiten sind erbärmlich. Aber kapitalistische Ausbeutung okkupierter Gebiete und der Mord am Schauspieler und Regisseur Juliano Mer-Khamis 2011 in Jenin waren das auch, genauso wie die 1292 toten Zivilisten durch palästinensische Attentate in Israel seit der Jahrtausendwende. Das ist der Irrsinn über den zu reden gilt, und das ist ein Irrsinn, den jene Israel-Unterstützer vorsätzlich nie mitdenken. Meinungsfreiheit nur für die, die meiner Meinung sind, ist ein dämlicher Fake. Freiheit der Kunst nur, wenn sie innerhalb bestimmter Grenzen bleibt, wäre das Ende. Und das soll ja schon ziemlich nah sein, sagen wieder Fundamentalisten quer über den Planeten.
In der Bochumer Turbinenhalle ist es wieder ruhig, die Geister der toten Stahlarbeiter freuen sich auf kommende Konzerte. Am Ende bleibt nur zu hoffen, dass die künstlerische Autonomie von Stefanie Carp dafür bestehen bleibt.
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