Lange ist’s nicht mehr hin, keine drei Jahre. Dann wird dort, wo die Zuschauer von Bochum Total heute ein rechteckiges Prisma aus Kunststoff sehen, das Musikzentrum der Bochumer Symphoniker in die Höhe ragen. Der Stadtrat hat seine Abstimmung über den zukünftigen Spielort am Donnerstag dabei dramaturgisch auf die Spitze getrieben – und gegen 17 Uhr, als auf Bochum Total die Gitarren fertig gestimmt waren, endeten die Spekulationen um die Zukunft des Freiplatzes neben der Marienkirche. In Zukunft könnte diese Konzentration aus Klassik und Pop prägend für Bochum werden.
Mit Klassikern des runden Leders ging es bei Bochum Total los, oder wie Otto Rehhagel sagen würde: „Die Wahrheit liegt auf dem Platz!“ Der Abend auf der trailer-Wortschatzbühne begann mit dem Archivar solcher Phrasen, Ben Redelings. Taufrisch das Programm, quasi-experimentell der Vortrag, nahm der eingefleischte VFL-Anhänger seine ZuhörerInnen mit in das Kuriositätenkabinett aus 50 Jahren Fußball-Bundesliga. Redelings selbst ernannte „Probelesung“ traf aber nicht nur bei Fußballliebhabern auf Zustimmung. Versoffene Schiedsrichter, Profis mit Realitätsverlust und Spiele, in denen der VFL Bochum den BVB deklassierte – so viel Seltenheitswert überzeugte.
Düster wurde es mit der Wattenscheider Schule ab 19 Uhr. In die Untiefen der Casting-Szene ging es hinab, dort, wo die Kameras noch ausgeschaltet sind. Die Einblicke des Autoren-Duos Herr Schlange und Herr Joswig ließen erahnen, wie viel Ausdauer gefragt ist, um endlich auf der Anklagebank von Barbara Salesch oder im Kreuzverhör mit Lenßen und Partner erscheinen zu dürfen. Die süffisante Art ihres Vortrags zeugte noch davon, wie sehr die Erfahrungen dieser Reise beiden zusetzen.
Neue und alte Bekannte
Wie schon für die Wattenscheider Schule war auch der Auftritt der Hamburger Band „Montreal“ keine Premiere bei Bochum Total. Die Hanseaten präsentierten vor allem Stücke aus ihrem neuen Album „Malen nach Zahlen“, das auf dem eigenen Label „Amigo Records“ erschien. Aber sowohl die neuen Songs als auch die bekannteren Stücke wie „Zum allerersten Mal“ oder die Drummer-Hymne „Max Power“ (der Drummer heißt wirklich so) wurden vom Publikum begeistert und textsicher aufgenommen.
Gegen 20 Uhr hat der Zuschaueransturm dann den Gipfel erreicht. Die Wege von Bühne zu Bühne werden länger, die Luft immer schwüler, aber mit den H-Blockx stand ja noch ein Highlight des diesjährigen Festivals auf dem Programm. Zuvor betrat aber der Dortmunder Tobias Katze erstmals die Wortschatzbühne. Mit dem Blatt vor seiner Nase, stehend, dreschte er seine abstrusen Geschichten ins Publikum. Das Wetttrinken mit Cocktails, die zu 50 Prozent aus Bier und zu 50 Prozent aus Senf bestehen, ging nicht nur in den Magen, sondern auch ans Zwerchfell.
H-Blockx in Bestform
Schon länger in Bochum verwurzelt sind die H-Blockx, was sich schon an den Auftritten beim Festival 2004 und 2009 zeigt. Auch gestern blieben sich die Münsteraner als stimmungsgewaltigstes deutsches Crossover-Erbe treu und ließen mit Titeln wie „Risin’ High“, „How do you feel“ oder „Ring of Fire“ den Lärmpegel zum Zenit schreiten. Besonderheit: Sänger und Frontmann Henning gedachte dem in diesem Jahr verstorbenen Rapper der Beastie Boys, Adam Yauch mit dem Song „Sure Shot“, einem der Klassiker der New-Yorker-Hip-Hop-Pioniere.
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