Ein Stück vom Amerikanischen Traum abbekommen, wer möchte das nicht? Aber sich dafür verkaufen? „I want a piece of that American Dream / But without selling out, if you know what I mean“, singt Grant Davidson aka Slow Leaves im Eröffnungssong „American Band“ seines 2023er Albums „Meantime“. Sich verleugnen, für welchen Erfolg auch immer, ist also ausgeschlossen bei Davidson. Der kanadische Songwriter ist eine ehrliche Haut. Eine dünne dazu, und was das mit ihm und den Vertrauten (Frau, Kind, Freunde) macht, davon handeln seine Lieder, mit denen er am 2. Juni im Düsseldorfer Zakk zu Gast ist.
„Meantime“ – die Zwischenzeit, Übergänge, das Warten: Zustände, in die man sich fallen lassen kann und, mit Glück, Unerwartetes entdeckt, oder eine Idee hat für einen neuen Song. Auf seiner im Mai ‘23 beendeten Europatour schilderte er, wie das abläuft, zu Hause im weiten Winnipeg: Frau und Kind haben einen strukturierten Tagesablauf mit Job und Schule, und wenn sie morgens das Haus verlassen haben, macht Davidson den Haushalt. Und dann? Sollte er nicht „somewhere else“ (woanders) sein und etwas Vernünftigeres mit seiner Zeit anstellen, „something more reasonable“?
Diese im Kern existentialistischen Überlegungen packt er auf seinen nunmehr sechs Alben in seine Songs. Die Musik ist nicht gerade Rock ‘n‘ Roll, klingt aber bei weitem auch nicht so düster wie manche dieser Textzeilen. Manche könnten sie aus der Zeit gefallen nennen, ich nenne sie zeitlos. Es ist melodisches, klassizistisches Folk-Pop-Songwriting in transparenten semiakustischen Bandarrangements, veredelt von Davidsons sanft-schmirgeligem Bariton – irgendwo zwischen Roy Orbison und Bryan Ferry. In Düsseldorf wird er seine neue Scheibe dabei haben: „In Solitude, For Company“ – tolle neu eingespielte Solo-Versionen von einer Auswahl seiner besten Songs.
Davidsons Konzerte sind rundum schöne, bittersüße Angelegenheiten, in denen er zwischendurch seinen Humor aufblitzen lässt, der auch die von ihm selbst kunstvoll gestalteten Musikvideos auszeichnet. Im Video zum rockigsten Track, dem eingangs erwähnten „American Band“, spielt er mit Hilfe von Perücke und Rockstar-Posen à la Robert Plant mit dem „On The Road“-Traum des erfolgreichen Rockstars. Doch am Ende des Filmchens hat er die Perücke und die Rolle abgestreift, die Chipstüte ist leer, die Wasserflasche auch – und springt einfach ins Meer. Diese Freude ist echt – der ,Erfolg‘ kann warten.
Slow Leaves | Mo 2.6. 20 Uhr | Zakk, Düsseldorf | www.zakk.de
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