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„Die Wupper“
Foto: Sebastian Hoppe

Die Merkwürdigkeiten von Signor Ciulli

25. Februar 2016

Else Lasker-Schülers „Die Wupper“ als Performance im Düsseldorfer Bahnhofstheater – Theater Ruhr 03/16

Eigentlich hätte nur noch gefehlt, dass Roberto Ciulli mit seinem Kinderwagen vor einem großen Mond am Himmel vorbeigefahren wär. Mit Illusionen kennt der Italiener sich ja bestens aus, jetzt hat er sich Else Lasker-Schülers „Die Wupper“ injiziert, nicht nur das Stück, nein, nein, die ganze Lebensgeschichte. Leid und Weg. Aufstieg und Fall einer bergischen Unternehmerfamilie, mittendrin Roberto, im Kleid der Else. Performance heißt die Inszenierung des Chefs vom Theater an der Ruhr in Mülheim, wo „Die Wupper“ gerade wieder Premiere feierte. Der Raum dort ist kleiner, man darf gespannt sein, wie sich das auswirkt. Im Düsseldorfer Bahnhofstheater (solange unter dem Gustav-Gründgens-Platz noch gebuddelt wird) jedenfalls sind die Wege lang für den älteren Herrn als ELS. Nun, für eine Tüte ist er noch jung genug und fürs Flötespielen auch, selbst Speis und Trank verbirgt er listig im Kinderwagen.

Um ihn herum die Protagonisten wie Automaten auf Abruf. Alle sitzen gereiht an der Wand. Springen auf, spielen den Niedergang zwischen diversen Krankheitsbildern, zu denen neben dem Kindesmissbrauch auch der Nazimarschtritt zählt. Die beiden Familien Sonntag und Pius bersten wie altes Stroh im Angesicht des blauen Klaviers im Hintergrund. Wie im Roman inszeniert Ciulli schlaglichtartig seine Szenen. Große Bedeutung haben auch die drei Stadtstreicher, die Szenen trennen und ein kleines Eigenleben haben. Da sind der Exhibitionist Pendelfrederech, der Schwule Lange Anna und der gläserne Amadeus, der den Leuten Prophezeiungen stellt und dessen Herz einen Sprung hat. Sie musizieren still und reden viel, mehr Sinn scheint ihr Leben nicht zu haben. Doch überall haftet noch ein Fetzen Paradies, und wenn dieser Fetzen auch die letzte Loop-Rille einer Schallplatte als Background-Sound produziert, dann wird das Weinen in der Welt vielleicht weniger. Spätestens dann, wenn die Sprache von den Figuren getrennt wird, wenn sie vom Band kommt und das Stück langsam aus dem Raum fließen lässt. ELS packt langsam seine Sachen.

„Die Wupper – Eine Performance“ | R: Roberto Ciulli | Mi 2.3. 19.30 Uhr, So 20.3. 18 Uhr | Schauspielhaus im Central Düsseldorf | 0211 36 99 11

PETER ORTMANN

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