Was ist diese Region nicht schon alles gewesen: Ein schlafender Landstrich zwischen Ruhr und Lippe, geprägt von Dörfern, deren höchstes Gebäude ein Kirchturm ist; das plötzlich und immer schneller schlagende Herz der deutschen Montan- und Rüstungsindustrie; zerstört und wiederaufgebaut, Heimat etlicher Biere und ehrlicher Arbeiter, bis schließlich Zechensterben und Arbeitslosigkeit ihre Runden drehen. Und heute? Während vor allem bei Wahlen die Rede vom Armenhaus der Republik gerne aufflammt, versteht sich das Ruhrgebiet selbst als Hochschullandschaft, als Ort von Kunst und Kultur, als Kulturhauptstadt oder – im Falle Essens – als Grüne Hauptstadt Europas. Doch mit der Identität ist es so eine Sache, denn selbst wenn in keinem anderen Ballungsraum derart viele Studenten zu finden sind, sind die Bilder vergangener Zeiten noch immer stärker und verlockender als das Profil der Universitätsallianz Ruhr. Souvenirläden von Duisburg bis nach Dortmund sind sich daher einig, welche Eindrücke der Besucher von hier mitnehmen soll: Noch immer geht es um Kohle und Trinkhallen, um Kumpel und ihre Mundart, die hier allen locker auf der Zunge liegt. Und so befindet sich das Ruhrgebiet mal wieder, noch immer, an der Weggabelung zwischen gestern, heute und morgen. Die einzige Konstante bei all dem ist der Wandel selbst. „Umbrüche. Industrie – Landschaft – Wandel“ heißt daher auch die aktuelle Ausstellung im Museum unter Tage.
Den Fotografien von Rudolf Holtappel, Bernd und Hilla Becher, Joachim Brohm und Jitka Hanzlová ist allen der Porträtierte – das Ruhrgebiet – gemein. Dennoch zeigen sie verschiedene, heute nostalgische, Motive, die in ihrer Komposition ein stimmiges und zugleich differenziertes Mosaik von Momentaufnahmen ergeben. Während es bei Holtappel und den Bechers vor allem um die stille Ästhetik von Zechen und Alltag geht, wandert der Blick des Betrachters in den Werken Brohms und Hanzlovás in ihrer plötzlichen Farbigkeit weg von der Kohle hin zum Jetzt. So gelingt es der gemeinsamen Werkschau auf geradezu verblüffende Art und Weise das abzubilden, was ist und nicht mehr ist.
Umbrüche. Industrie – Landschaft – Wandel | bis 25.3. | Museum unter Tage, Situation Kunst | www.situation-kunst.de/mut/
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Mit allen Sinnen
„Eintauchen in die Kunst“ in Bochum Weitmar
„Man sieht sich auf dem Kopf und durch Spiegel gebrochen“
Kuratorin Eva Wruck über das Werk Adolf Luthers – Sammlung 11/22
Wenn der Fliegenpilz spricht
„Die Kraft des Staunens“ im Museum unter Tage – Kunstwandel 07/22
Wenn der Zucker macht, was er will
Markus Heinzelmann über„Die Kraft des Staunens / The Power of Wonder“ – Sammlung 05/22
Lichtblicke in Schwefelgelb
Ingeborg Lüscher im Museum unter Tage – Ruhrkunst 12/21
Der Raum zum Greifen nah
Erich Reusch im Bochumer Museum unter Tage – Kunstwandel 08/20
Bunte Palette
Farbe in der neueren Kunst in Bochum – Ruhrkunst 01/20
„Farbe kann neue Sichtweisen generieren“
Maria Spiegel über „Farbanstöße“ – Sammlung 12/19
Minimal pur
Ausstellung „post_minimal conceptual_now“ in Bochum-Weitmar – Kunst 06/19
Von Menschen und Bienen
Anja Bohnhof und Tanya Poole in Bochum – Ruhrkunst 02/19
Titel haben keine Bedeutung mehr
Die Bildwelten von Qiu Shihua in Bochum – Kunstwandel 12/18
Der Stollen unterm Schlosspark
„SCHWARZ [ˈʃvaʁʦ]“ in Bochum – Kunstwandel 08/18
Kompatibel mit Museum
Rafaël Rozendaals NFTs in Essen – Ruhrkunst 05/23
Alle mal spielen!
Takako im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 05/23
Was uns die Algen singen
Stolzer & Rütten im Dortmunder U – Ruhrkunst 05/23
Weltreise digital
Daniela Comani im Museum Folkwang – Ruhrkunst 04/23
Aus dem Eis
Video-Installationen aus Spitzbergen in Recklinghausen – Ruhrkunst 03/23
Das Rätsel des roten Steins
Inventur im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 02/23
Schütten statt Pinseln
Helen Frankenthaler im Museum Folkwang – Ruhrkunst 01/23
Neues im Quadrat
Josef Albers in Bottrop – Ruhrkunst 12/22
Bilder des Glücks
„Entdecke Minhwa“ im LSI Bochum – Ruhrkunst 11/22
Junge Schwarze Formensprache
Dozie Kanu im Neuen Essener Kunstverein – Ruhrkunst 11/22
Kulissen und Kojoten
Ian Page im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 10/22
Avantgardistische Bauten
Irmel Kamp und Andreas Rost im Baukunstarchiv – Ruhrkunst 09/22
In Bildwelten tauchen
Fotosammlung Museum Ostwall trifft junge Fotobuch-Kunst – Ruhrkunst 08/22