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Flüchtlinge auf dem Ozean: "...and there is no space. Please, please give me some space."
Kevin Vitt

H2O mit Tiefgang

18. März 2015

Das „Hope Theatre Nairobi“, führte am Dienstag (17.3.) die Bühnenshow „Wasser!“ im Bahnhof Langendreer auf

Laut UNO-Statistiken sterben etwa 3,5 Mio. Menschen pro Jahr an den Folgen schlechter Wasserversorgung. Ein rücksichtsloser Raubbau durch globale Wasserversorger führt außerdem zum Austrocknen von Flüssen und Seen. Das internationale Ensemble „Hope Theatre Nairobi“ um Stephan Bruckmeier machte das Thema nun zum Leitmotiv ihrer neuen Bühnenshow. Bereits 2014 war die Konstellation erfolgreich mit „The Fair Trade Play“ unterwegs und befindet sich jetzt auf „Fair-Africa-Tour-2015“. Die Gruppe setzt sich für den Austausch zwischen Theaterleuten aus Afrika und Europa ein. Viele Mitglieder stammen aus Kariobangi, einem Slum-Viertel in Nairobi. Dort sind harte Fußmärsche zur Wasserbeschaffung und Krankheiten durch verseuchtes Wasser Alltag.

Nachdem sich drei Gestalten, die in weiße Planen gehüllt an Wassertropfen erinnerten, auf der Bühne positioniert hatten, wurde diese in blaues Neonlicht getaucht. Das Platschen eines Tropfens hallte durch den Saal und die Gestalten begannen sich fremdartig zu bewegen und Seifenblasen zu erzeugen. Immer mehr verschiedene Wasserklänge, formten sich zu einem, im wahrsten Sinne, fließenden Beat. Dann plötzlich, rissen die Gestalten ihre Umhüllungen auf. In teils grellen Farben gekleidet, starteten sie eine rasante Tanzperformance, die die dargebotene Unterwasserwelt auflöste.

Weitere Darsteller betraten nun die Bühne und legten sich niemand geringerem als „Mutter Erde“ zu Füßen. Diese begrüßte die Gäste mit blauer Perücke, Sonnenbrille und Pelz, auf etlichen Sprachen mit „Hallo Erdlinge“, bevor sie die Schönheit des „blauen Planeten“ und die Kostbarkeit des Wassers, als Quelle allen Lebens anpries. Zufrieden schien "Mutter" mit den Erdlingen allerdings nicht zu sein. In immer aggressiverem Ton, selber rauchend und saufend, verurteilte sie die Menschen nun für Gier, Neid und Faulheit sowie ihren Irrglauben daran, etwas Besonderes zu sein. "Ich erschuf euch nach meinem Abbild", so eine ihrer allegorischen Äußerungen.

Es folgt ein Szenenmix, häufig auf Englisch, aus verschiedensten Elementen: Comedy, Vorträge, Musik, Tanz, Spiel, wissenschaftliche und politische Reden. Egal ob sich zwei Dorfbewohnerinnen um einen versiegten Wasserhahn stritten, nur um ihn danach zusammen gegen zwei durstige Buschleute einzunehmen oder ob sich ein alleingelassener Massai fragte, warum er auf einmal in der Stadt für Wasser arbeiten solle, obwohl der Fluss sein Volk seit Jahrhunderten ernähre: Wasser wurde zum Instrument u.a. für Geschäftemacher. Doch wem gehört Wasser überhaupt? Diese Frage wurde im Hope Theatre in einer Szene verhandelt, in der die Wasserversorgung eines Dorfs durch einen Staudamm gekappt wurde. Ein Amateurfilm aus Nairobi, der die Wassernot in einem Slum ohne Kanalisation zeigte, untermauerte die Szene später. Weiterhin, gestaltete sich eine imaginäre Überfahrt auf einem Flüchtlingsboot durch den authentischen Kommentar eines Passagiers, erschütternd real und leidvoll.
Eine zum Ende hin aufgeführte Quizshow, untersuchte außerdem den Vergleich des täglichen Wasserverbrauchs zwischen einem Europäer und einem Afrikaner. Das erschütternde Ergebnis: Inklusive dem „virtuellen“ Wasserverbrauch (in den z. B. auch der Konsum von Nahrung und Kleidung einfließt), "siegte" der Europäer mit einem Verbrauch von etwa 5500 Litern pro Tag gegen knapp 1000 Liter des durchschnittlichen Afrikaners. Das Wasser selbst wurde so zu einer Metapher für die falsche Selbstverständlichkeit des Überflusses, doch auch zu einer Quelle der Erkenntnis.

Durch die lebensbejahenden Songs und Tänze und durch die häufige Integration des Publikums, zeigte sich die Show trotz seiner Ernsthaftigkeit durchgängig versöhnlich und stellt immer wieder den Wert des Teilens und Gebens in den Vordergrund. Die Natur gab und sie gibt es uns weiterhin aber wie lange noch? Wenn „Mutter Erde“ uns also wirklich nach ihrem Abbild schuf, sollten wir dringend damit anfangen sie auch dem entsprechend zu behandeln, um nicht irgendwann als sprichwörtlicher Tropfen auf dem heißen Stein zu enden.

Kevin Vitt

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