Drei Dinge braucht der Mann, hieß es einst in einer Nikotin-Werbung des vergangenen Jahrhunderts. Das Pfeiferauchen scheint passé, doch das Dreifache zur effektiven Selbstdarstellung scheint immer noch zu funktionieren. Ehre, Euro, Einfluss, da hat sich seit Gotthold Ephraim Lessing und dem Siebenjährigen Krieg (ein echter Weltkrieg 1756-1763) nicht viel im Männerbild der Gesellschaft geändert, zumindest, wenn man sich die Klatschspalten der zeitgenössischen Boulevardpresse ansieht.
Das Düsseldorfer Schauspielhaus zeigt jetzt Lessings Liebesdrama „Minna von Barnhelm“, das ja eigentlich ein Lustspiel in fünf Aufzügen sein soll. Das Komödiantische zeigt sich schon daran, dass es gar nicht so einfach ist, die Handlungsfäden einigermaßen stringent zusammenzufassen, denn die lieben Liebenden müssen sich durch zahlreiche Irrungen und Wirrungen winden, bevor ein Happy End am Horizont sichtbar wird.
Spiel der maximalen Täuschungen und endlosen Missverständnisse
Da ist Major von Tellheim, ein verklärter typischer preussischer Offizier seiner Zeit, eigentlich edel und gut, dennoch wird er nach dem Krieg wegen falscher Wahrheiten (alternative Fakten gab es damals auch schon) unehrenhaft aus der Armee entlassen. Das Ende ist nah, vom Soldatenglück aus dem Untertitel des Stücks ist nichts mehr übrig: „Ich bin Tellheim, der verabschiedete, der an seiner Ehre Gekränkte, der Krüppel, der Bettler.“ So sieht der Mann sich. Klar, jetzt kann er seine Verlobte, die adlige Minna von Barnhelm, nicht mehr ehelichen – kein Geld, keine Arbeit und HartzIV gab es ja noch nicht. Aber Minna ist damit nicht einverstanden, sie kämpft um ihre Liebe: Das Spiel der maximalen Täuschungen und endlosen Missverständnisse kann beginnen.
Wie es ausgeht? Wie soll es am Ende eines Lustspiels schon ausgehen? In Düsseldorf inszeniert das alles Andreas Kriegenburg auf selbst gebauter Bühne. Die Ankündigung verspricht Figuren, „die einander nicht verdrängen, sondern die danach suchen, füreinander wertvoll zu sein“ und die bereit sind „verschlungene – auch paradoxe – Wege zu nehmen“. Selbst der junge Johann Wolfgang von Goethe hatte damals wohl seinen Spaß daran: „Sie mögen denken, wie das Stück auf uns junge Leute wirkte, als es in jener dunklen Zeit hervortrat! Es war wirklich ein glänzender Meteor“, sagte er mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Uraufführung zu Johann Peter Eckermann.
Minna von Barnhelm | 18.12. (P), 19.12., 15.1., 26.1.22 je 19.30 Uhr, 25.12. 18 Uhr | Schauspielhaus Düsseldorf | 0211 36 99 11
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