Tom Vek zum Dritten: Nach seinem ersten Album im Jahre 2005 und dem langen Warten bis zum zweiten in 2011 kommt er mit „Luck“ als mitreißender Electro-Rocker wieder: Simple, aber überwältigende Synthies, schwere Bassläufe, scharfe Schrammelgitarren und Veks cooler Sprechgesang sind die Ingredienzien, die auch das neue Album zu einem Hit für die Tanzfläche machen. Selten klangen New Wave-Anleihen frischer (Moshi Moshi). „Seek Warmer Climes“, das Debütalbum der dänischen Band Lower, belebt die Dringlichkeit des 80er Jahre Hardcore neu. Mit energiegetriebenen Dissonanzen verbreiten sie aggressive Stimmung, vom New Wave geliehene Melancholie legt versöhnlichere Melodien über die Stücke (Matador). Alexis Taylor, der mit markanter Stimme ausgezeichnete Sänger von Hot Chip, veröffentlicht mit „Await Barbarians“ sein zweites Soloalbum. Vom clubtauglichen Indie-Sound seiner Band entfernt er sich weit und erinnert eher an Prog Rock der sympathischen Art: Namen wie Robert Wyatt und Mark Hollis von Talk Talk sind in diesem Zusammenhang gefallen, und das passt tatsächlich nicht nur auf die eigentümlich hohe Stimme, sondern auch auf die sehr schöne, fragile Musik (Domino).
Das amerikanisch-australisch-britische Trio The Acid veröffentlicht mit „Liminal“ sein Debüt. Keiner der drei ist musikalischer Neuling, aber mit ihrer Zusammenarbeit betreten sie alle Neuland: Die zurückgenommenen Soundscapes sind mitunter abstrakt, meist aber von einem Beat zusammengehalten. Trotzdem ist die Musik zart und sehr offen, wie man es z.B. auch von James Blake kennt. Darüber thront die Kopfstimme von Ry X (Infectious). King Britt veröffentlicht mit „The Phoenix“ das erste Album seines Projektes Fhloston Paradigm. Der amerikanische Elektronikproduzent widmet sich hier seiner Liebe für Science-Fiction-Soundtracks aus den 70er- und 80er Jahren. Federnde Rhythmen und warm oszillierende Sounds verbreiten ein retrofuturistisches Feeling, die Komplexität der Tracks steht im Hier und Jetzt. Das ist mal verspult, mal upliftend, und nur die gelegentlichen Gastvocals stören die abstrakte Reise (Hyperdub). Patric Catani alias Candie Hank wandert mit dem Album „Demons“ auf der Zeitachse in eine Gegend, in der Surfsounds, Exotica, Psychedelic und diverse Folkloren das elektronische Tanzbein schwingen. Die fröhlich torkelnden Tracks definieren Weltmusik humorvoll neu. Das ist durchaus als Soundtrack von wilden Zeichentrickfilmen aus Moldawien oder auch Bolivien vorstellbar (Shitkatapult).
Brian Reitzell wird man unter seinem Namen kaum kennen. Bislang ist er vor allem als Filmkomponist (für z.B. „Thumbsucker“, „Beginners“ und sämtliche Filme von Sofia Coppola) aufgefallen, in einem früheren Leben war er Schlagzeuger von Redd Cross. „Auto Music“ ist Programmmusik für Autofahrten und erinnert in seiner somnambulen, gleißend-verzerrten Leichtigkeit natürlich an Coppolas Filme, aber auch an Air, mit denen er bereits zusammengearbeitet hat. Bitte nicht am Steuer einschlafen (Smalltown Supersound). Steve Reichs Minimal-Klassiker „Music for 18 Musicians“ ist relativ frei interpretierbar. Rough Fields alias James Birchall setzt drei neue Marken: Er spielt das Stück solo, er ändert die Instrumentierung und er fügt dem Ganzen ‚Nebengeräusche‘ aus Field Recordings hinzu. Das Ergebnis ist wunderschön zart und klanglich höchst lebendig (Bomb Shop).
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